Wie wird es sich anfühlen, wenn man auf den Stegen über das Wasser geht? Auf jeden Fall wird es eine wacklige Angelegenheit, soviel steht fest. „Als ob man auf einem Wasserbett spazieren geht“ und „als balanciere man auf einem Wal“, wird Christo zitiert. Er muss es wissen, denn der Verpackungskünstler hatte einst mit seiner verstorbenen Frau Jeanne-Claude die Idee für das Projekt „The floating piers“. Vor Buenos Aires wollten sie es aufbauen, später vor Tokio. Doch an beiden Orten bekamen sie keine Genehmigung – zum Glück. Denn jetzt hat Christo die schwimmenden Stege am norditalienischen Iseosee realisiert – Genehmigung und Begeisterung hatte er in kürzester Zeit – und wir sind dabei.
„The floating piers“ ist wieder eine dieser im ersten Augenblick ebenso einfachen wie genialen Ideen, die das Markenzeichen des 80jährigen Künstlers sind. Auf einer Strecke von insgesamt drei Kilometern verbindet Christo die Inseln Monte Isola und Sao Paolo durch einen 16 Meter breiten Steg mit dem Ort Sulzano auf dem Festland. Der Steg besteht aus 200.000 mit Luft gefüllten Plastikwürfeln. Sie wurden im Laufe des letzten Monats auf dem See installiert, Taucher verankerten sie mit schweren Gewichten im See. Wir haben dabei zugesehen.
Erst jetzt in den letzten Stunden vor dem Start am Samstag, 18. Juni verpackt Christos Team die Plastikwürfel mit 70.000 Quadratmeter dahliengelbem Stoff. Der Stoff heißt „Dahlia“, schimmert je nach Sonnenstand goldgelb oder orangerot und wurde bei der Firma Setex im westfälischen Hamminkeln gewebt und in Lübeck vernäht. Und nicht nur die Stege werden mit dem Stoff geschmückt, auch einige Straßen der Insel und des Festlandes bekommen etwas ab von dem Stoff.
Der See ist von vielen Bergen umgeben und so kann man bereits jetzt von oben erahnen, dass das erste Mammutprojekt von Christo seit mehr als zehn Jahren eine phantastische Wirkung entwickelt. Vom 18. Juni bis 3. Juli kann jedermann kostenlos über das Wasser laufen. Christo bittet die Besucher mit leichten Schuhen oder gleich barfuß darüber zu laufen, um ein Gefühl für die schwimmenden Stege zu bekommen.
Nur etwas mehr als zwei Wochen hat man Zeit, wenn man über das Wasser des Iseosees laufen will. Zehntausende werden erwartet. Wer hin möchte, kann sich auf der Seite http://floatingpiers.navigazionelagoiseo.it über die Anreise informieren. Die Straßen am See sind eng, es wird empfohlen per Zug, Bus oder Schiff zu den floating piers zu reisen. Tickets und Parkplätze können auf der Seite vorab gebucht werden.
Ab 4. Juli werden die Stege wieder abgebaut, das Spektakel ist wie immer bei Christo Geschichte. Was bleibt sind seine Skizzen, Fotos und Reste von dem Stoff. Mit dem Verkauf davon will Christo das rund 12 Millionen Euro teure Projekt finanzieren. Wie immer kommt er ohne öffentliche Förderung aus.