Ein Engel schwebt herab

Ein früher Morgen über den Dächern von Nürnberg. Die Tage Mitte Juni sind lang, den Sonnenaufgang drehe ich um kurz nach 5. Und dann öffnet Susanne Bammessel, Touristenpfarrerin in St. Lorenz ihre Kirche für einige wenige Journalisten und Kameraleute. Ja wir genießen Privilegien, aber in diesem Fall muss man dafür sehr früh aufstehen. Und viele Treppen steigen.

Denn vom menschenleeren immer wieder faszinierenden Kirchenschiff von St. Lorenz steigen wir hinauf auf den Dachboden. Dort steht mittendrin eine 500 Jahre alte Winde. Sie wird heute eine Hauptrolle spielen. Denn sie gehört zum Engelsgruß von Veit Stoß, der heute heruntergelassen wird. Für Susanne Bammessel und ihre Kolleginnen und Kollegen ein ganz besonderer Tag. Denn nur alle paar Jahre wird das außergewöhnliche Kunstwerk heruntergelassen.

Der Engelsgruß

Immerhin eine Tonne wiegt das aus einem Lindenbaum geschnitzte Kunstwerk. Und es hat eine außergewöhnliche Geschichte. Bildhauer Veit Stoß fertigte es im Alter von 70 Jahren im Auftrag von Anton II. Tucher. Eineinhalb Jahre arbeitete er daran und bekam dafür 550 Gulden – eine Menge Geld. Doch noch wichtiger – Veit Stoß rehabilitierte sich mit dem Werk. Denn er hatte einst einen Schuldbrief gefälscht und in der Folge seine Bürgerrechte verloren. Mit dem Engelsgruß rettete der berühmteste Bildhauer der Spätgotik seine Ehre.

Das Werk zeigt, wie der Erzengel Gabriel der Jungfrau Maria verkündet, dass sie Jesu gebären wird. Viele Engel umrahmen die Szene – einer trägt ganz unten die ganze Last. Dazu gibt es sieben Medaillons mit biblischen Szenen, die an einem Kranz aus 50 Rosen rund um die zentralen Figuren angeordnet sind. Und ganz unten hängt eine Schlange mit angebissenem Apfel. Überall entdeckt man spannende Details. Das Werk wird sehr ausführlich interpretiert – unter anderem als Mittler zwischen „Himmel und Erde“.

Jetzt geht’s los

Und jetzt soll es der Erde wieder ein bisschen näher kommen! Ein Dutzend Menschen sind gekommen: Pfarrerinnen und Pfarrer der Lorenzkirche, Architekten, Restauratoren und Helfer. Zunächst müssen auf dem Dachboden alle Sicherungen gelöst werden; denn nur alle paar Jahre wird der Engelsgruß heruntergelassen, um ihn zu überprüfen und zu reinigen. Dazwischen hängt er fest an einem Stahlseil von der Decke – mit allerlei Sicherungen versehen. Und jetzt kommt die 500 Jahre alte Winde zum Einsatz, die vor fünf Jahren auch saniert wurde. Vier Helfer setzen die Winde in Bewegung und lassen den Engelsgruß sanft in die Tiefe gleiten. Das klappt erstaunlich gut und ganz reibungslos. Fünf Meter in rund sieben Minuten! Alles geht gut – anders als 1817 als der Engelsgruß abstürzte, in tausend Teile zersplitterte und aufwendig wieder zusammengefügt wurde.

Unten sichern die Restauratoren das Werk und nehmen es gleich in Augenschein. Der erste Eindruck ist gut, das Werk weißt keine größeren Schäden auf. Jetzt wird erstmal ein Gerüst aufgebaut und die Restauratoren reinigen den Engelsgruß mit Pinseln mehrere Tage lang.

 

Von 1. bis 17. Juli können die Besucher der Lorenzkirche dem Engelsgruß dann ganz nahe kommen und viele Details entdecken. Am 17. Juli 2018 ab 17 Uhr wird das Werk dann wieder in die Höhe gezogen. Das ist auf den Tag genau 500 Jahre nach dem 17. Juli 1518 – der Tag an dem der Engelsgruß erstmals hinaufgezogen wurde! Allerdings war er über Jahrhunderte verhüllt, nachdem Nürnberg ab 1525 evangelisch wurde. Erst im 19. Jahrhundert wurde das mehrmals restaurierte Kunstwerk wieder offen im Hallenchor der Lorenzkirche gezeigt. Jetzt ist immer zu sehen und in den nächsten Wochen ganz besonders nah!

Das umfangreiche Programm gibt es unter: https://lorenzkirche.de

Und meinen Film im Auftrag der Evang.-Luth. Kirche in Bayern gibt es hier:

https://youtu.be/CJMzL_lvbWE

 

 

 

 

Eine Kirche im Container

Der Welthandel würde ohne sie zusammenbrechen – ohne die Hochseecontainer, die auf Schiffen, LKWs und Zügen um die Welt transportiert werden.  Doch auch ohne Waren erfreuen sich die Container großer Beliebtheit – als Café, als Atelier des Künstlers Peter Lang, als „Fair-Shar€-Container in Salzburg und jetzt auch als „Containerkapelle“ in Aresing bei Schrobenhausen – die bild-schön medienproduktion begleitet Containerprojekte. Heute stellen wir die Containerkapelle von Aresing vor.

Ein Container in einem Gewerbegebiet in Aresing bei Schrobenhausen – ansich nichts besonderes. Zwischen Spezialtiefbaumaschinen des weltweit tätigen Konzerns Bauer und dem kleinen Metallbau-Betrieb von Xaver Ostermaier erweckt der Container dann aber doch Aufmerksamkeit.

Die vermutlich erste und einzige Kapelle der Welt in einem Standard-20-Fuß-Hochseecontainer hat Künstler Martin Knöferl gemeinsam mit dem Eigentümer Xaver Ostermeier auf 2,50 m Breite mal 6 Meter Länge erschaffen.

Die Vorgeschichte der Containerkapelle von Aresing ist lang. 2012 begann der Metallbauer mit dem Umbau des Seecontainers. Immer wenn neben dem Alltagsgeschäft Zeit ist, baut Xaver Ostermaier an seiner Kapelle weiter.  Warum – das behält der Schlosser bis heute für sich. „Irgendwann reifte der Gedanke, eine Kapelle zu errichten“, sagt er.

Und: „Die bedeutendste Öffnung der Kapelle ist aber die nach oben zum Himmel“. Durch ein Rohr fällt das Tageslicht auf den Altar. Und durch die Fenster, deren Gestaltung Martin Knöferl in seinem Atelier übernommen hat. Gemeinsam haben der Schlosser und Künstler dafür hochwertiges blaues Echt-Antik-Glas aus Waldsassen ausgewählt. Martin Knöferl zeichnet für die künstlerische Gestaltung verantwortlich: für die schlanken Seitenfenster und die Taube auf Glas hinter dem Altar – Symbol für den Heiligen Geist und den Frieden – für den Altar, den Boden.

Wir haben die Entstehung der Containerkapelle begleitet. Hier unser Beitrag aus der BR Abendschau:

https://www.youtube.com/watch?v=LoEOXxJ9Hw4

Schließlich lässt Xaver Ostermaier in Passau sogar noch eine eigene Glocke für den Glockenturm auf seiner Containerkapelle gießen. Dann hat es noch einige Jahre gedauert bis die Kapelle im neuen Gewerbegebiet von Aresing ihren Platz gefunden hat. Jetzt wurde sie bei einer Messe mit rund 200 Gläubigen vom Ortspfarrer gesegnet. Sie liegt direkt an einem Fuß- und Radweg und ist tagsüber geöffnet, lädt zu Einkehr und Gebet ein. Und wer die Kirche aufmerksam betritt, für den hat Martin Knöferl noch eine besondere Überraschung bereit. Er hat einen Gedanken des aus Aresing stammenden Theologen und späteren Bischofs Johann Michael Sailer aufgegriffen. Von Außen ist auf rotem Glas in der Tür zu lesen: „Herr, nimm mich, wie ich bin.“ Und wer die Kirche verlässt, der liest: „Herr, mach mich, wie Du mich haben willst.“