Kleines Estland groß bei der Digitalisierung

Seit Ende 2024 kann man auch den Antrag für die Scheidung in Estland digital stellen – seitdem ist das nördlichste Land des Baltikums zu 100 Prozent digital. Es war der letzte und aus der Sicht der Esten wohl auch unwichtigste Verwaltungsakt, den man digitalisiert hat. Doch das Signal ist eindeutig: der estnische Staat funktioniert komplett digital. In Deutschland ist man davon noch sehr weit entfernt. 

Estland wurde 1991 endlich dauerhaft unabhängig. Davor hatte das Land – nach einer kurzen Phase der Unabhängigkeit von 1918 bis 1940 – jahrzehntelang zur Sowjetunion gehört. Doch mit der Eigenständigkeit erkannten die Esten, dass sie es mit nur 1,3 Millionen Bürgerinnen und Bürgern schwer haben mit einem eigenständigen Staat. Und setzten deshalb konsequent von Anfang an auf Digitalisierung – mit großen Erfolg. 

Zu Gast bei e-estonia

Dank eines Tipps eines Estland-Kenners lerne ich e-estonia kennen – das Informationszentrum für die Digitalisierung Estlands. Dort kann sich jede*r Vorträge zu dem Thema anhören – ganz analog, allerdings spannend gemacht und mit der Gelegenheit zu Nachfragen. Ich frage per e-mail an und habe binnen weniger Minuten eine Antwort. Am nächsten Tag bekomme ich die Möglichkeit mich in dem Zentrum in der Hauptstadt Tallinn einer Gruppe von Studierenden aus Asien anzuschließen. Und das mache ich.

Rannar Park von e-estonia führt uns ein in das digitale Estland. Ausgangspunkt war eine klare Analyse zur Staatsgründung: das Land ist klein, die Zahl der Einwohner sinkt  – trotz Zuwanderung bis heute. Und so ging man daran, wenn man so will, den Staat digital zu gründen. Grundlage ist eine Personennummer und ein digitaler Ausweis, den Jede*r auf dem Handy bei sich tragen kann, aber auch immer noch analog als Plastikkarte, wenn man will. Das sei wichtig in Estland: niemand werde gezwungen zur Digitalisierung, es gibt auch noch analoge Möglichkeiten. Und noch etwas ist Rannar Park wichtig: Digitalisierung sei ein Ausdruck moderner Gesellschaften; bei konservativen Regierungen bleibt die Digitalisierung zumeist zurück. 

Bestes Beispiel für die Digitalisierung ist das digitale Wahlrecht: in Estland kann man digital wählen, muss man aber nicht. Bei der letzten Wahl 2023 nutzten 51 Prozent der Esten die digitale Möglichkeit der Abstimmung. Das zeigt auch, das viele Bürger*innen dem analogen Kreuzchen auf dem Wahlzettel noch mehr vertrauen. Denn natürlich ist das i-voting nicht unumstritten. Doch die Tendenz der digitalen Stimmabgabe ist eindeutig steigend. Der Vorteil bei der digitalen Wahl, so Rannar: man kann innerhalb eines bestimmten Zeitraums seine Wahl noch einmal ändern und jemand anders oder eine andere Partei wählen. Und man kann als Este ohne Probleme auch wählen, wenn man im Ausland unterwegs ist. Bei der letzten Bundestagswahl in Deutschland kamen Stimmzettel, die in Botschaften im Ausland abgegeben wurden, zum Teil nicht mehr rechtzeitig an, um ausgezählt zu werden.

Digitale Steuererklärung und Bildung

Der Großteil der Digitalisierung in Estland geschieht durch Unternehmen, die staatliche Bürokratie ist klein. Ein großer Vorteil: das spart sehr viel Geld und die Verwaltung beeinflusst – anders als zum Beispiel in Deutschland – den Weg des Staates nicht. Und auch die Bürger*innen sparen viel Geld durch die Digitalisierung. Zum Beispiel bei der Steuererklärung. Die ist binnen weniger Minuten von zuhause aus erledigt. Auch das Schulwesen – zum Beispiel die Schulbücher – wurde schon vor langer Zeit digitalisiert. Zwar findet die Schule normalerweise an vier Tagen in Präsenz statt, doch zu Zeiten von Corona gab es in Estland keinerlei Probleme, weil die Schüler*innen einfach von zuhause aus am Unterricht teilnehmen konnten. Estland hat sehr frühzeitig die Bedeutung von Bildung erkannt und gilt heute als hoch gebildetes Land, exportiert Wissen. 

Erfolgreiche Unternehmen

Vor allem die breit aufgestellte Wirtschaft profitiert sehr stark von der Digitalisierung Estlands. Vorzeigeunternehmen ist Skype, das 2003 als Start-up von drei Esten gegründet wurde und in frühen Jahren sehr erfolgreich war auf dem Markt der Videokonferenzen. Ich konnte einen der Gründer, Ahti Heinla, vor einigen Jahren bei einem Filmprojekt in Tallinn kennenlernen. Später hat er sich mit dem Unternehmen Starship – Technologies mit der Zukunft der Auslieferung von Produkten durch kleine mobile Roboter beschäftigt. Man siehst sie in Estland oder auch Finnland gelegentlich autonom unterwegs bei der Auslieferung.

Wirtschaftlich ist Estland sehr erfolgreich. Und wer mag, kann sich auch als Nicht-Este an dem Erfolg beteiligen: man kann – natürlich digital – eine E-Residency in Estland erwerben. Damit ist man kein Bürger von Estland und bekommt keinen Pass, aber man kann innerhalb kurzer Zeit dort ein Unternehmen gründen und damit vom digitalisierten Staat profitieren – auch als Ausländer*in. Estland profitiert davon finanziell. Denn wer so ein estnisches Start-up im Ausland gründet und mit dem Unternehmen Gewinne macht, zahlt in Estland Steuern.  

Natürlich gibt es auch kritische Stimmen, aber die Akzeptanz der digitalen Dienstleistungen im kleinsten der drei baltischen Staaten ist hoch. Estland hat es außerdem verstanden, als kleines Land große Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. 

Und bei aller Digitalisierung noch eine wichtige Information: den Antrag auf Scheidung oder auch Heirat kann man digital stellen. Für die persönliche Unterschrift muss man dann doch noch aufs Amt kommen.

Beitrag zur Sicherheit des Landes

Estland gelingt damit auch die wichtige weltweite Vernetzung – und das ist im Angesicht der Bedrohung durch Russland von großem Wert. Denn Estland hat eine lange Grenze zu Russland, ist Teil der EU, der NATO und dank der Digitalisierung auch Teil der globalen Wirtschaft. Angesichts der langen Vergangenheit als Teil der Sowjetunion weiß Estland, was Freiheit bedeutet. Von 1944 bis 1991 starben mehr als 20.000 Esten durch die Verfolgung innerhalb der Sowjetunion. Menschen wurden in andere Teile Russlands deportiert oder flohen in den Westen. 

Bei einer Reise durch Estland begegnet man immer wieder der sowjetischen Vergangenheit – und man erlebt das moderne aufgeschlossene Estland.

Perspektiven in Tansania

Die Farbe der Haut mag verschieden sein, aber die Farbe des Blutes ist die gleiche.“  

Auch bei meiner zweiten Reise nach Tansania im Februar 2025 darf ich wieder tief eintauchen in das Land in Ostafrika, vielen spannenden Menschen begegnen. Meine Erwartungen werden mehr als erfüllt. Zu verdanken habe ich die Reise der „Aktion Feuerkinder Tansania“. Ich begleite Ärzte und Pflegerinnen, die Kinder orthopädisch operieren. Im Auftrag der Feuerkinder drehe ich einen Film zum 25. Geburtstag der Hilfsaktion. Doch auch darüberhinaus habe ich viele spannende Begegnungen; manche ohne Kamera und einige auch mit der Kamera. Und so sind einige Beiträge für das BR Fernsehen entstanden – sie sind in diesem Blogbeitrag verlinkt. 

Ich erlebe die unterschiedlichsten Facetten des Landes. Die Schönheit der beeindruckenden Landschaft –  schon beim Anflug auf den Kilimandscharo mit der aufgehenden Sonne und bei den Besuchen im Arusha und im Tarangire Nationalpark. Ein paar Eindrücke in diesem Film:

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Und ich erlebe die Hilfsbereitschaft und Neugier der Menschen. Und die Schattenseite: Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Wer die Hütten auf dem Land zwischen den Bananenpflanzen betritt, der erlebt nicht selten bittere Armut. Menschen und Tiere teilen sich kleine Lehmbauten. Es fehlt an einer angemessenen Gesundheitsversorgung. Es gibt aber auch eine wachsende Mittel- und Oberschicht, die sich etwas leisten kann. Und es gibt Korruption, einen Staat mit hohen Einnahmen aus dem blühenden Tourismus. Und mit großen Herausforderungen. 

Aktion Feuerkinder

Seit mittlerweile 25 Jahren operieren Ärzte und Pflegerinnen zweimal im Jahr ehrenamtlich Kinder im lutherischen Nkoranga Hospital am Mount Meru. Ich bin dankbar, dass ich bei einem Einsatz dabei sein darf und über diese tolle Arbeit einen Film machen darf. Elf engagierte Leute aus Bayern sind dieses Mal dabei, die mit Freude täglich bis zu zehn Stunden im OP stehen, zwei Wochen lang. 
Zunächst werden die Kinder untersucht, geröntgt und die Operationen geplant. Es sind vor allem Klumpfüße, X- und O-Beine, die die Orthopäden mit Unterstützung von Anästhesisten und OP-Schwestern hier korrigieren. Sie operieren die Fehlstellungen der Füße in zwei Teams parallel in zwei OPs, die wie Vieles hier aus deutschen Spendengeldern finanziert wurden. Leider werden in Tansania diese Deformierungen zumeist nicht behandelt und sind deshalb sehr ausgeprägt. Bei uns wird das im Kleinkindalter korrigiert – mit einfachen Mitteln.

Orthopädin Dr. Annemarie Schraml ist Kopf und Herz der Aktion. Sie organisiert – mittlerweile in Rente – die Reisen,  wirbt Spenden ein, um die laufenden Kosten zu finanzieren. Reisekosten und das gesamte medizinische Material müssen finanziert werden. Und sie steht an jedem Tag der zwei Reisen pro Jahr von früh bis spät mit Skalpell, Säge, Hammer und Zangen im „operation theatre“ des Krankenhauses, um selber zu operieren. 6,5 Millionen Euro an Spenden aus Deutschland sind mittlerweile in das Projekt geflossen.

Lebenslange Verbindungen 

Und ich muss von Peter erzählen. Peter wurde einst selbst von den Feuerkinder-Ärzten operiert, um ihm ein normales Leben zu ermöglichen. Heute ist er ein positiver, junger Mann, der in der orthopädischen Werkstatt von Usa River arbeitet, einer Behinderteneinrichtung der lutherischen Kirche in Tansania. Er fertigt nun für andere Kinder mit Behinderungen Hilfsmittel. Und er betreut Kinder, die gerade von den Feuerkinder-Ärzten operiert worden sind, im Aufwachraum der Klinik. Er freut sich, wenn die Mediziner aus Deutschland zweimal im Jahr dort sind und ist ihnen ein treuer Freund geworden. Das Feuerkinder-Team hat Kontakte zu vielen der früheren Patienten – lebenslange Verbindungen.
 
Bei allem Engagement bleibt ein großer Wunsch: die Ärzte und Pflegerinnen aus Deutschland wollen ihre Reisen nach Tansania eigentlich überflüssig machen. Denn das Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ gilt auch für diese orthopädischen Operationen. Schon seit längerem versuchen sie tansanischen Ärzten das Wissen weiterzugeben. 

Zum offiziellen Jubiläum am 28. September 2025 werde ich einen längeren Film über die Arbeit produzieren. Hier eine Kurzfassung.  Ein kleiner Teil davon war bereits in den STATIONEN im BR Fernsehen zu sehen.

Die Kammleiters: seit 30 Jahren in Tansania

Seit 30 Jahren leben Barbara und Reiner Kammleiter aus Rothenburg ob der Tauber in Tansania und leiten dort ein Ausbildungs- und Berufsschulzentrum – das Hai Vocational Training Centre. Der Ort Hai liegt zwischen Moshi am Kilimandscharo und Arusha am Mount Meru. Dort lernen bis zu 280 junge Leute Handwerksberufe vom Schreiner bis zum Elektriker und zur Schneiderin. Beeindruckend engagiert und strukturiert. 

Barbara und Reiner sind behutsame, vorsichtige Menschen. Und so zeigen sie mir erstmal einen Vormittag lang ihre Schule – ohne Kamera. Sie wollen erstmal wissen, wer da aus ihrer alten Heimat kommt und einen kleinen Film über sie drehen will. Einige Tage später darf ich wieder kommen und einen Beitrag für die BR Abendschau drehen. 

Reiner und Barbara sind 1994 hier angekommen –  im Auftrag von Mission EineWelt, dem Partnerschaftszentrum der Evangelischen Landeskirche in Bayern.  Sie bekamen hier in Hai drei Söhne, 1999 wurde Reiner Schulleiter – er ist es bis heute. Und Reiner wird der einzige deutsche Leiter bleiben, denn mit seiner Rente in einigen Jahren soll ein Tansanier das VTC in die Hand nehmen.

Und die Spezialität: Reiner ist gelernter Orgelbauer und baut Orgeln, einige davon stehen in Franken. In Tansania gibt es 22 seiner Orgeln, zwei weitere sind derzeit in Vorbereitung. Kirchenmusik muss laut sein in Tansania. Und deshalb kommen meist Keyboards zum Einsatz. Schöne, klangvolle Kirchenorgeln, noch zumal sie deutlich teurer sind, gibt es oft nur in großen Kirchen, wie in der Bischofskirche von Moshi.

Aufträge zur Finanzierung der Schule

Dass Berufsschulen Aufträge von Außen annehmen, ist in Deutschland nicht denkbar. In Tansania ist das ganz anders, denn um das Zentrum zu finanzieren, müssen die Kammleiters auch Aufträge von Außen annehmen. Die 48 Lehrkräfte werden durch das Schulgeld der Familien der Auszubildenden finanziert. Alles Andere zum Beispiel durch den Bau von praktischen Kirchenbänken, Lesepulten, Schreibtischen, Tischen, Stühlen, Schneidbrettern, kleinen Kreuzen und eben Orgeln.

Beeindruckend die Kammleiters. Sie haben, so wirkt es, allerlei Entbehrungen in ihrem Leben in Kauf genommen, um ihre Schule aufzubauen. Reiner vergleicht sie mit einem Auto. Er möchte das Auto gut gewartet, in einem guten Zustand, fahrbereit an seinen Nachfolger übergeben. Und Barbara arbeitet quasi ehrenamtlich mit, denn Geld gibts eben nicht viel. Geschaffen haben sie ein stolzes Lebenswerk am Fuß des Kilimandscharo, das sich sehen lassen kann. Sie haben mit ihren Mitarbeitern tausenden jungen Tansanierinnen und Tansaniern eine gute Zukunft ermöglicht.

Kaffee aus Tansania in Augsburg

Das Nkoranga Lutheran Hospital, wo die Ärzte der „Aktion Feuerkinder“ operieren, steht inmitten von Plantagen und Wäldern an den Hängen des Mount Meru. In den Plantagen wächst Kaffee, der unter anderem nach Augsburg exportiert wird. Ich besuche David, dessen Bruder Allan gemeinsam mit seiner Frau in Augsburg ein Café und eine Rösterei betreibt: Kaffee aus Tansania in Augsburg

Ich bekomme eine Führung durch die Plantagen. Kaffee wächst am besten im Schatten. Deshalb stehen die Kaffeepflanzen oft unter großen Bananenpflanzen. Das hat auch den Vorteil für die Kleinbauern, dass sie Bananen, Kaffe, manchmal auch Gemüse und Vanille gemeinsam anbauen können. Die Kaffeebohnen werden übrigens nicht gleichzeitig reif. Die Ernte in unseren Sommermonaten zieht sich über einige Zeit hin, so dass die Bauern öfters ernten müssen. Am Ende der spannenden Führung haben wir selber Kaffeebohnen geschält – sie haben zwei Schalen. Anschließend werden die Bohnen über dem Feuer geröstet, gemahlen und daraus auf dem offenen Feuer Kaffee gekocht. Der Weg von der Bohne in die Tasse ist lang und arbeitsreich. 

Zuhause besuche ich Allan in Augsburg. Er lebt seit 2006 in Deutschland, hat hier Wirtschaft studiert und gemeinsam mit seiner deutschen Frau Katharina einen Kaffeehandel mit Tansania aufgebaut. Gemeinsam betreiben die beiden seit 2018 ihr Kaffee mit einer Rösterei in Augsburg. In ihrer Heimat sind es vor allem Kleinbauern, die den Kaffe in der hoch gelegenen Region anbauen. Allan versucht einen fairen Kaffeehandel aufzubauen. Mein Beitrag für die BR Abendschau: 

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Zeichen der Hoffnung

Zwei Wochen mit viel Hoffnung. Dank meiner europäischen und afrikanischen Begleiter*innen habe ich viele gute Beispiele für Menschlichkeit und Erfolge erlebt. 

Überschattet wird mein Besuch vom Amtsantritt von Donald Trump zu seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident. Und wie sich herausstellt, wird das auch für den afrikanischen Kontinent gravierende Folgen haben.

Es geht um Leben und Tod

Kurzfristig und spontan empfiehlt mir Claus Heim, Tansania-Referent von Mission EineWelt der Evangelischen Landeskirche in Bayern ein Gespräch mit Dr. Paul Mmbando, Direktor der Gesundheitsabteilung der Evangelisch-Lutherischen Kirche  (ELCT) von Tansania. Ein Gespräch das ich nicht vergessen werde. Der Arzt ist zuständig für die 24 Krankenhäuser und 148 Gesundheitszentren der ELCT im ganzen Land. Dazu muss man wissen, dass diese lutherischen Zentren und Hospitäler ein sehr wichtiger Teil der Gesundheitsversorgung im ländlichen Tansania sind. 


Was bedeutet das Ende der amerikanischen Gesundheitsprogramme von USAid für Tansania, will ich von dem Arzt wissen. Zur Erinnerung: Präsident Trump hat nach seinem Amtsantritt USAid für 90 Tage stillgelegt und nicht nur im eigenen Land tausende Mitarbeitende entlassen. Trump hat damit über Leben und vor allem Tod entschieden. Anders kann man es nicht sagen.

Dr. Mmbando erklärt, dass USAid in Tansania als wichtiges Programm vor allem die Behandlung gegen HIV/AIDS und Tuberkulose finanziert hat. Die Arbeit von mehr als 3000 Menschen und die Medikamente für 1,4 Millionen Menschen, dank derer sie mit dem HIV-Virus leben können, wurden von den USA bezahlt. Jetzt nicht mehr. Die Entscheidung sei ein Weckruf, verbunden mit der Frage: was für eine Welt wollen wir – mit Blick auf das Mitgefühl und die Humanität. 

Die Entscheidung der USA ist ein „Weckruf“ 

Eine unglaubliche Zahl: 165.000 Kinder vom Säugling bis 17 Jahre sind in Tansania HIV+. Unschuldig. Weil Ihre Eltern infiziert wurden, oft unwissentlich. Und diese Menschenleben hängen an den Medikamenten von USAid. Sie werden jetzt nicht mehr bezahlt. Es sind, so der Arzt, verletzliche, unschuldige Kinder, die oft durch AIDS ihre Eltern verloren haben, in anderen Familien, bei den Großmüttern leben. 

Für Dr. Paul Mmbando ist klar: Menschen werden jetzt sterben! Die Entscheidung von Trump heißt: „lasst die Menschen sterben“. Denn dem tansanischen Staat wird es kaum gelingen die Gelder für dieses große Programm anderswo aufzutreiben, ist zu befürchten.  Die Entscheidung der USA sei ein „Weckruf“. Freilich könne man nicht verlangen, dass die USA ewig diese Programme finanzieren, aber die plötzliche Entscheidung sei eine Katastrophe.

Finanziert wurden durch USAid auch Programme zur Familienplanung. Das Ende wird auch bedeuten, dass es zu ungewollten Schwangerschaften kommen wird, zu Abtreibungen und zu Kindestötungen, sagt der Arzt.

Dr. Mmbando appelliert an die Humanität der Menschen – über das Leben dürfe nicht entscheiden, auf welchem Kontinent man geboren wurde, welches Geschlecht oder welche Hautfarbe man habe, ob man reich oder arm geboren werde, ob man gebildet oder weniger gebildet sei. Als Christen sind für uns alle Menschen gleich.

Mein Beitrag zum Thema für BR24.

Das Hochwasser und die Folgen

Wie aus dem Nichts ist das Wasser plötzlich da. Ich stehe in Baar-Ebenhausen am Beginn der Parkstraße. Eben ist die Straße noch trocken. Doch innerhalb weniger Minuten wird sie komplett geflutet. Woher das Wasser kommt, kann ich nicht sehen. Aber es kommt sehr schnell. Es ist der Sonntag, 2. Juni 2024. Zum Glück sind die Menschen in Alarmbereitschaft, der Katastrophenalarm wegen des drohenden Hochwassers gilt bereits. Die Menschen verlassen die Straße, wer kann fährt noch sein Auto heraus. Nach 15 Minuten steht hier alles unter Wasser. Ältere Mitbürger werden mit einem Traktor gerettet. Diesen Augenblick werde ich nie vergessen.

Später stellt sich heraus, dass ein Damm der nahen Paar gebrochen ist. Die Schäden in Baar-Ebenhausen und dem nahen Reichertshofen sind enorm. Eigentlich sollte ich für das BR Fernsehen zum Pressetermin mit Ministerpräsident Markus Söder am Feuerwehrhaus in Reichertshofen. Doch die Straßen dorthin sind bereits geflutet. Und so drehte ich für das BR Fernsehen in Baar-Ebenhausen und in Manching Bilder der Hochwasserkatastrophe. Ich fahre auf einer Brücke über die Autobahn A9 – sie ist leer und gesperrt, weil Teile der Fahrbahn überschwemmt wurden. 

Die leere A9 als Symbol für das Hochwasser und die Klimakatastrophe.
Land unter in Schrobenhausen

Die Paar ist in normalen Zeiten ein gemütliches Gewässer. Doch in diesen Tagen ist sie in unserer Region in der Folge des Starkregens der letzten Tage Auslöser für die Hochwasserkatastrophe. Weiter nach Schrobenhausen. Die Innenstadt ist kaum wieder zu erkennen. Der grüne Stadtwall, der gemeinsam mit dem Bürgermeister-Stocker-Ring die Altstadt umgibt, steht vollkommen unter Wasser. Nur ein schmaler Weg schaut noch auf der Dammkrone heraus. Als ich dort um die Altstadt laufe, wird das ganze Ausmaß der Hochwasserkatastrophe deutlich. Ungezählte Wohnungen, Läden, Arztpraxen und dutzende Autos stehen unter Wasser. Die Türen der evangelischen Kirche sind geöffnet, Wasser strömt heraus. Und dann das Pflegeheim St. Georg. In der Nacht von Samstag auf Sonntag mussten die Bewohnerinnen und Bewohner evakuiert werden. Wenige Tage später stellt sich heraus, dass das Wasser das Pflegeheim für längere Zeit unbewohnbar gemacht hat. Mein Online-Artikel für den BR.

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Völlig zerstört ist auch der Keller der Familie Hammer, die nahe der Altstadt von Schrobenhausen wohnt. Ich lerne sie am Dienstag nach der Katastrophe kennen. Mittlerweile steht fest, dass Schrobenhausen mehr als ein sogenanntes Jahrhunderthochwasser ereilt hat. Bei Christine und Thomas Hammer kann man die Macht des Wassers erahnen. Sie räumen gerade mit Freunden ihren völlig zerstörten Keller aus. Sie haben dort ihr Büro gehabt, eine Werkstatt, die Heizung, die Technik für die PV-Anlage – alles zerstört. Ihr Schicksal und das von anderen haben wir für die BR24 Vor Ort Reportage „Nach dem Hochwasser – Räumen, Kämpfen, Hoffen“ – siehe oben – dokumentiert. 

Spontane Hilfe aus dem Ahrtal

Ich bin Christine und Thomas sehr dankbar, dass sie mich in ihr Haus gelassen haben. Das ist längst nicht selbstverständlich, denn in einer Situation wie dieser hat man alles andere zu tun als Journalisten die Folgen der Katastrophe zu zeigen. Doch sie haben es dankenswerterweise getan. Sie sind tapfer und als ich sie am Samstag darauf noch einmal besuche sind sie schon wieder viel optimistischer. Unzählige Freunde helfen ihnen. Und zum Glück ist das Wasser an der Kante zum Erdgeschoss stehen geblieben. Hoffentlich können der Estrich und der Fußboden im Haus bleiben, wenn alles richtig getrocknet ist. Schon laufen die großen Trockner in ihrem Haus, die ein Schrobenhausener, der mittlerweile im Ahrtal wohnt, spontan per Transporter in großer Zahl vom früheren Katastrophengebiet in das aktuelle Katastrophengebiet gebracht hat. Ein paar Fotos aus ihrem Haus. 

Pichl, Manching und unglaubliches Engagement

Am Montag, 3. Juni bin ich in Manching unterwegs. Auch hier ist es das Hochwasser der Paar, das die die Orte massiv bedroht. Früh am morgen ist ein von der Feuerwehr und vielen Helfern extra aufgebauter Damm nahe Pichl, einem Ortsteil von Manching gebrochen. Innerhalb von zwei Stunden sind fünf Straßen komplett überflutet. Schicksale und große Schäden auch hier. 

Manching selbst kann mit unglaublich viel Engagement gehalten werden. Beeindruckend wie am Feuerwehrhaus hunderte Helferinnen und Helfer Sandsäcke befüllen. Und viele andere Helfer stapeln sie an der Paar auf, die – so sieht man es auf meinen Bildern – schon höher steht als die Helfer selbst. Meine Eindrücke vom Tag in Pichl und Manching sind Teil der BR-Reportage „Die Flut in Bayern“. Und unter diesem Link bei 11:00 

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Viele Fragen nach dem Hochwasser

Das Hochwasser und seine Folgen werden uns noch lange beschäftigen. Ja man hat aus früheren Hochwassern gelernt. Zum Beispiel in meiner Heimatstadt Neuburg an der Donau, wo nach dem Pfingst-Jahrhunderthochwasser von 1999 ein Hochwasserschutz für 22 Millionen Euro gebaut wurde, der bei diesem Hochwasser seine Leistungsfähigkeit bewiesen hat. In Schrobenhausen plant man ebenfalls seit Jahrzehnten Hochwasserschutz. Gebaut wurde er bis heute nicht. Die Diskussion ist jetzt natürlich noch einmal sehr stark entbrannt.

Und viele bewegt auch die Frage, warum der Polder in Riedensheim bei Neuburg nicht geöffnet wurde.In einem Beitrag für die BR Abendschau und einem Online-Artikel habe ich diese Frage beantwortet. 

Gehören zusammen: Europa und die Migration

Die Geschichte Europas ist über viele Jahrhunderte eine Geschichte der Ein- und Auswanderung. Spannende Ergebnisse hat das Projekt „Evangelische Migrationsgeschichte(n) gebracht. Zehn evangelische Museen in Europa haben sich dafür zusammengetan. Wichtigste Erkenntnis: die Geschichte der Evangelischen ist über die Jahrhunderte bis heute eine Geschichte der Migration. Was haben Vertreibung, Flucht und die neue Heimat mit den evangelischen Christen gemacht? Wie hat das ihr Leben und ihre Religiosität beeinflusst? Die bild-schön medienproduktion durfte das spannende Projekt filmisch begleiten. Herausgekommen ist unter anderem eine umfangreiche Filmdokumentation. 

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Hugenotten aus Frankreich

Eine andere große Gruppe evangelischer Migranten in Europa sind die Hugenotten, die französischen Protestanten. Zunächst hatten sie dank des „Edikt von Nantes“ viele Rechte. König Ludwig XIV. widerrief das Edikt 1685 und daraufhin wurden viele Hugenotten blutig verfolgt, es gab Folter und Massaker. Viele flüchteten u.a. nach England, in die Niederlande, in die Schweiz, nach Amerika und nach Deutschland. Viele Hugenotten kamen im 17. Jahrhundert auch nach Franken, wo sie die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Bayreuth freundlich empfingen, weil sie sich wirtschaftliche Vorteile von ihnen versprachen. Doch diese Vorteile – zum Beispiel durch die Ansiedlung von Handschuhmachern in Erlangen fielen geringer aus als erhofft. Und die Einheimischen beschwerten sich über die neuen Mitbürger. 

Schwerpunkt Franken

Aber nicht nur viele Hugenotten kamen nach Franken. Auch Exulanten ließen sich hier nieder. Im 19. Jahrhundert – eine Zeit großer Armut – verließen aber auch viele Menschen Franken und gingen mit Unterstützung des evangelischen Pfarrers Wilhelm Löhe nach Nordamerika und blieben dort. Noch heute erinnert die Ortschaft Frankenmuth in Michigan an die Flüchtlinge. 

"Fremde" im 20. und 21. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert wurden schließlich Deutsche zu „Fremden“. Reisende Handwerksgesellen, Wanderarbeiter und wohnungslose Männer, die zum Beispiel im Diakoniedorf Herzogsägmühle bei Peiting in Oberbayern aufgenommen wurden. 

Nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg wurde vertriebene Deutsche zu „Fremden“. Das ändert sich erstmals als 1956 vertriebene Ungarn nach Deutschland kamen. Später kommen Gastarbeiter aus der Türkei und Griechenland nach Deutschland. Asylbewerber, wie wir sie heute kennen, kommen erst ab den 1970er Jahren zu uns und sind damit – historisch gesehen – ein relativ junges Phänomen. 

Begleitband und Ausstellung

Die Forschungen und Erkenntnisse zum Projekt sind in dem umfangreichen wissenschaftlichen Begleitband „Evangelische Migrationsgeschichte(n)“ veröffentlicht worden. Auf knapp 3000 Seiten bietet das Buch einen umfangreichen und spannenden Einblick in die Migration über viele Jahrhunderte bis heute. Der Begleitband ist im Kunstverband Fink erschienen und kann dort oder in den beteiligten Museen erworben werden. Die Forschungen sind auch in einer gemeinsamen Ausstellung zusammengefasst worden. Die Ausstellung, die ihre Premiere im Stadtmuseum Fembohaus in Nürnberg feierte, erzählt die Lebensgeschichten von protestantischen Migrantinnen und Migranten aus fünf Jahrhunderten. Sie kann aus geliehen und an anderen Orten gezeigt werden. 

Die Arbeitsgemeinschaft Museen im Evangelischen Raum lenkt mit dem Gemeinschaftsprojekt den Blick von der Vergangenheit in die Gegenwart. Auch heute gibt es große Flüchtlingsbewegungen – nicht nur in Europa. Sie sind auch Teil der Migrationsgeschichte.