Die Brandmauer ist gefallen

Eine dunkle deutsche Woche und die Folgen

Diese Woche im Januar 2025 wird in die deutsche Geschichte eingehen. Als dunkle deutsche Woche. Und so wird sie auch Eingang finden in diesen Blog, der nicht parteipolitisch ist. Doch in dieser Woche zeigt sich, wie bedroht die deutsche Demokratie ist. Und im Sinne eines #niewieder #werember und #wehretdenanfängen ist es geboten, dass wir vor den großen Fehlern in der deutschen Geschichte warnen. 

Montag, 27. Januar 2025

Wie es der Zufall will, besuchen wir heute in Berlin das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. An einem besonderen Tag: Heute vor 80 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz durch die Rote Armee befreit. In dem Lager ermordeten Deutsche 1,1 Millionen Menschen. Insgesamt wurden beim nationalsozialistischen Völkermord sechs Millionen Menschen umgebracht, die meisten von ihnen Jüdinnen und Juden. Diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssen wir uns immer wieder vor Augen halten und darüber sprechen. 

Dafür wurde unter andere, das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin erbaut. Doch es bekommt Risse, genauso wie die Erinnerung an die Verbrechen. Doch ein Vergessen darf es nicht geben. Gerade auch vor dem Hintergrund der erschreckenden Ereignisse einer aktuellen Umfrage: 40 Prozent der Deutschen zwischen 18 und 29 Jahren gaben an, die Zahl von sechs Millionen Mordopfern nicht zu kennen. 

Zum Glück gibt es auch dank der Kirchen in Deutschland noch Aufklärung über die Greueltaten der Nazis, u.a. in Auschwitz. Ein gelungenes Beispiel zum 80. Jahrestag in einer ARD Dokumentation. 

Eine weitere wichtige Zahl: rund 500.000 Menschen flüchteten im Dritten Reich aus Deutschland ins Exil: Juden, politische Verfolgte, Schriftsteller, Wissenschaftler, Filmschaffende, u

#weremember

Dann kommen wir zum Reichstag. Das #weremember dort steht in großen Buchstaben inmitten einer Baustelle. Und schon sind wir im Deutschland 2025: hier haben Politiker aus dem rechten Lager eine Debatte angestoßen – nach den Morden von Magdeburg und Aschaffenburg. So postete Julia Klöckner aus dem inneren Kreis der CDU-Führung: “Es gibt Kulturen, die sind mit unserer Lebensweise nicht einverstanden, deshalb können wir mit ihnen nicht einverstanden sein!” Menschen aus anderen Nationen werden pauschal für die Taten einzelner, in diesen Fällen psychisch kranker Menschen verantwortlich gemacht. Für mich als Demokrat ist dieses Denken unerträglich. Was wäre mit den 500.000 deutschen Flüchtlingen im sogenannten 3. Reich passiert, wenn andere Nationen alle Deutschen pauschal zu Straftätern erklärt hätten? Glücklicherweise hat uns die Weltgemeinschaft wieder aufgenommen nach den Gräueltaten der Nazis.

Mittlerweile ist der deutsche Wahlkampf – oft von Fakten befreit – dank der Union und der AfD völlig entglitten. Es geht ja nicht mehr um Tatsachen sondern nur noch um die Deutungshoheit. Wir erinnern uns: die Union lehnte das verschärfte Sicherheitspaket der Ampel ab. Oppositionsführer Friedrich Merz kündigte stattdessen an, “jeden Tag abzuschieben”. Merz will die Freizügigkeit und Schengen – eine der größten Errungenschaften in Europa – einschränken und dauerhaft die Grenzen kontrollieren. Abgewiesen werden soll an den Grenzen auch der, der in Deutschland Asyl beantragen will –  ein Grundrecht soll geopfert werden. Viele der Vorschläge von Merz wie dieser sind mit geltendem Recht nicht vereinbar. 

Zuvor hatte Friedrich Merz vorgeschlagen, neu eingebürgerten Menschen den deutschen Pass abzuerkennen, wenn sie straffällig werden. Ein solches Vorgehen widerspricht ebenfalls dem Grundgesetz.

Die CSU hat angekündigt, dass individuelle Asylrecht in Deutschland abschaffen zu wollen. Dafür bräuchte es im Bundestag eine Zwei-Drittel-Mehrheit und es wäre ein Bruch mit einer der großen Lehren aus dem sogenannten 3. Reich. 

Das ist das eine. Doch viel schwerer wiegt die Tatsache, dass Friedrich Merz bewußt auf eine in großen Teilen rechtsextreme Partei setzt. 80 Jahre nach Kriegsende nehmen mit Friedrich Merz, der CDU und CSU erstmals wieder demokratische deutsche Politiker eine in Teilen rechtsradikale Unterstützung in Kauf. Mir fehlen die Worte.

Die Brandmauer fällt
Mittwoch 29. Januar 2025

Die Brandmauer ist gefallen. Friedrich Merz hat sein Wort gebrochen. Und eine Mehrheit des Bundestages aus CDU, CSU, FDP und der in Teilen rechtsradikalen AfD hat gegen geltendes Recht gestimmt.

Da fällt mir nicht mehr viel ein. Außer Dankbarkeit für die klugen Worte der Beauftragten der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland. Sie haben vor dieser Entscheidung gewarnt, weil der Gesetzentwurf nicht geeignet sei, zur Lösung der anstehenden emigrationspolitischen Fragen beizutragen. “Die beiden großen Kirchen weisen hiermit darauf hin, dass die nun vorgeschlagenen Gesetzesänderungen nach aktuellem Wissensstand keinen der Anschläge verhindert hätten. Die Attentate von Magdeburg am 20. Dezember 2024 und Aschaffenburg am 22. Januar 2025 wurden von offensichtlich psychisch kranken Personen begangen. Die Taten zeigen aus Sicht der Kirchen daher ein Defizit hinsichtlich des Informationsaustausches unterschiedlicher Behörden und einen eklatanten Mangel an adäquater Versorgung psychisch Kranker auf.”

Nebelkerzen im Wahlkampf. Ein schwerer historischer Fehler der Union, der Deutschland schadet. Ein dunkler Tag in unserer Geschichte, 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz. 

Eine schwere Niederlage für Friedrich Merz
Freitag, 31. Januar 2025

Ein weiterer Tag an dem die deutsche Demokratie schwer beschädigt wird. Es ist der Tag, an dem die Union das “Zustrombegrenzungsgesetz” in den Bundestag einbringt und damit scheitert. 338 Abgeordnete aus AfD, CDU/CSU, FDP und BSW stimmen für den Entwurf, 349 Abgeordnete stimmen dagegen. Das Parlament – darin sind sich alle einig – wurde schwer beschädigt. 

Stellvertretend für Viele die Einordnung durch den Präsidenten der Diakonie, Rüdiger Schuch: “Dies ist ein Sieg der Vernunft und ein klares Signal gegen einen Dammbruch. Es ist nicht akzeptabel, die Unterstützung von Partei einzukalkulieren, die unsere demokratische Grundordnung und eine rechtsstaatlich basierte Migrationspolitik ablehnen. (…) Wir müssen uns ernsthaft mit der Migrations- und Sicherheitspolitik auseinandersetzen und dabei auch die ganz unterschiedlichen Sorgen und Ängste in unserer Einwanderungsgesellschaft ernst nehmen. Dabei sind aber stets die unveräußerliche Menschenwürde, die Rechtsstaatlichkeit und die Vernunft als Leitprinzipien zu wahren.” 

Legendenbildung

Es dauert nicht lang und das rechte Lager nutzt die Niederlage im Bundestag und die Entwicklung zur Legendenbildung. Im Netz und in der Presse ist zu lesen: die gescheiterte Ampelregierung sei Schuld am Rechtsruck. Zitat aus dem Netz: “Es wird Zeit, dass es eine politische Wende gibt und SPD und Grüne die Kurve hinbekommen. Die Verantwortung für die Brandmauer liegt jetzt bei den verbliebenen Regierungsparteien, auch wenn sie versuchen das Gegenteil zu behaupten.” 

Im meiner Lokalzeitung kommentiert ein Redakteur: “Eine linke politische Minderheit hat es seit Jahren geschafft, die immer offensichtlicheren Probleme der Migration kleinzureden. (…) Nach Belieben bestimmt Rot-Grün seither den Diskurs.” Das muss man sich einmal klar machen: eine demokratisch gewählte Bundesregierung bezeichnet ein Journalist als “linke politische Minderheit”. Und vom Sündenfall der CDU und CSU kein Wort. 

Auf die Idee, dass es in Deutschland auch noch Menschen gibt, die nicht rechts sondern in der Mitte der Gesellschaft stehen und andere Grundüberzeugungen haben als Wähler von CDU, CSU, AfD und FDP kommen diese Menschen gar nicht. Sie ebenen den Weg für die AfD. Vielleicht auch für eine gemeinsame Bundesregierung zwischen CDU, CSU und AfD.

Fazit

Etwas erscheint mir wichtig in der Diskussion: die Anträge von Mittwoch und Freitag inhaltlich zu unterscheiden. Beim 5-Punkte-Plan vom Mittwoch, 29. Januar 2025 geht es in vier von fünf Punkten um Rechtsbruch. Dafür brauchte Merz die AfD. Die fünf Punkte:

1. Dauerhafte Grenzkontrollen: verstoßen gegen EU-Recht. Der Schengener Grenzkodex erlaubt Kontrollen nur befristet für maximal zwei Jahre.

2. Zurückweisung von Personen ohne gültige Einreisedokumente gleich direkt an der Grenze: verstößt gegen das im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl und gegen EU-Recht.

3. Abschiebehaft: Eine pauschale Inhaftierung ohne Einzelfallprüfung wäre rechtswidrig laut der Europ. Menschenrechtskonvention.

4. Unterstützung der Länder bei Abschiebungen: Scheint rechtlich umsetzbar zu sein.

5. Verschärfung des Aufenthaltrechts: Einige der Vorschläge, wie der Entzug der Staatsangehörigkeit bei Doppelstaatlern, sind verfassungsrechtlich problematisch.

Quelle: Publizist Christian Nürnberger bei Facebook

Beim Antrag am Freitag ging es um eine Gesetzesänderung, bei der Merz mit mehr Zeit, Kompromissbereitschaft und Verhandlungsgeschick eine demokratische Mehrheit hätte finden können. Doch das war ihm offensichtlich nicht wichtig. 

Was wir uns immer wieder vor Augen führen müssen: Das gescheiterte Gesetz der CDU hätte weder den Attentäter von Magdeburg noch den von Aschaffenburg getroffen. Die Taten wären damit nicht verhindert worden.

Vergessen wir auch vor dem Hintergrund der grausamen Taten nicht die Grundpfeiler unserer Demokratie und unsere eigene deutsche Geschichte – nicht nur am Holocaust-Gedenktag.

Die nächsten Wochen

Mittlerweile sind einige Wochen ins Land gegangen. Die Union bleibt dabei sich für ihre – nach meinem Empfinden – Fehlentscheidungen nicht zu entschuldigen. Das hat Folgen. Indem die Narrative der AfD bedient werden – Ausländer sind kriminell und Deutschland ist unsicher – verfängt dass bei vielen Bürger*innen. Doch das ist schlicht falsch. Sehr lesenswert der Spiegelartikel “Friedrich Merz fällt auf den Psychotrick der AfD herein”.

Auch Maurice Höfgen zerlegt bei YouTube sehr ausführlich die Argumentation durch Friedrich Merz. 

Und dann ist da noch Markus Söder. Er droht den Kirchen die rechtlich klar geregelte finanzielle Unterstützung zu entziehen, wenn sie die Union kritisieren. Da fehlen einem dann endgültig die Worte. 

Beeindruckend in diesen Wochen die Demonstrationen gegen den Rechtsruck. 

Quellen und Tipps zum Nachlesen

Mutig gegen den Faschismus: Josef Mayr-Nusser

Vor 75 Jahren überschlugen sich die Ereignisse in Bayern und Deutschland: am 23. April wurde das Konzentrationslager Flossenbürg und am 29. April das Konzentrationslager Dachau von Soldaten der US Army befreit. Und am 8. Mai war der Krieg zu Ende und Deutschland wurde von der Nazi-Herrschaft befreit. In den Wochen zuvor haben die Nationalsozialisten noch viele Menschen ermordet, darunter Pfarrer Dietrich Bonhoeffer oder den Hitler-Attentäter Georg Elser. Aber auch KZ-Häftlinge starben. Und auch Josef Mayr-Nusser, SS-Soldat aus Südtirol, der den Führereid verweigerte. Bei uns in Bayern ein weithin Unbekannter.

Josef Mayr-Nusser: Erst sah sein Leben für mich nach einer beeindruckenden Biographie aus, die mich packte. Und über die ich einen Film machen wollte. Und dann wurde es ein Projekt mit starken Bezügen in die Gegenwart. Oder wie es mein Interviewpartner Paolo Valente, Journalist, Caritas-Direktor von Bozen ausdrückte: „Eine Geschichte, die uns heute noch viel zu sagen hat.“ – die Lebensgeschichte von Josef Mayr-Nusser.

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Ein Interview mit Paolo Valente, Experte für Josef Mayr-Nusser. Es macht nachdenklich. Und eine erste Bildergalerie mit biographischen Orten von Josef Mayr Nusser in Bozen.

Geboren am 27. Dezember 1910 auf dem heute noch existierenden Nusserhof in Bozen. Gestorben am 24. Februar 1945 bei Erlangen. Er wächst in einem frommen katholischen Umfeld auf, wird Jugendleiter in mehreren katholischen Jugendgruppen. 1942 heiratet er, ein Jahr später kommt Sohn Albert zur Welt. 1943 besetzen deutsche Truppen Südtirol. 1944 wird er zum deutschen Militär eingezogen und der Waffen-SS zugeteilt. In Konitz in Ostpreußen macht er die Ausbildung, doch er verweigert aus Glaubensgründen den Führereid und wird zum Tode verurteilt. Auf dem Weg ins Konzentrationslager Dachau stirbt er in einem Viehwaggon nahe Erlangen an den Folgen der Haft. Dort wird er bestattet. 1958 wird er nach Südtirol überführt und an der Kirche von Lichtenstern am Ritten oberhalb von Bozen beigesetzt.

Im März 2017 wird er von der katholischen Kirche selig gesprochen, danach wird er in den Bozner Dom umgebettet. Im Zuge der Seligsprechung entsteht die erste Städtepartnerschaft Bozens – mit dem fränkischen Erlangen. So bin ich auf die Spur von Josef Mayr-Nusser gekommen. Dank an meinen Freund Peter Steger, den Partnerschaftsbeauftragten der Stadt Erlangen.

„Er starb, weil ihm das Bekenntnis zu Jesus Christus mehr galt als sein Leben“, schreibt die Diözese Bozen-Brixen auf der Seite https://www.josef-mayr-nusser.it

Doch im Interview mit Paolo Valente, der über Mayr-Nusser ein Buch geschrieben hat, wird mir sehr schnell die politische Dimension bewusst. Paolo Valente sagt: „Eine Geschichte, die uns heute noch viel zu sagen hat: zum Beispiel die Bedeutung des Gewissens, was heißt es das Gute vom Bösen zu unterscheiden?“ Während es in der Zeit des Faschismus das Problem war, an die richtigen Informationen zu kommen, haben wir heute eher zu viele Informationen und die Einordnung ist schwierig.

Josef Mayr-Nusser wusste, dass seine Entscheidung, den Führereid zu verweigern, gravierende Folgen haben kann. Für ihn selbst und für seine Familie. „Wenn nie jemand den Mut aufbringt, ihnen zu sagen, dass er mit ihren nationalsozialistischen Auffassungen nicht einverstanden ist, dann wird es nicht anders“, wird er auf einer Gedenktafel am Bahnhof in Bozen zitiert.

Der Faschismus in Bozen und die Option

Meine Recherche zum Leben von Josef Mayr-Nusser führt mich auf die Spuren des faschistischen Bozen. Eine spannende Geschichte zwischen zwei Diktaturen. 

Ein kleiner historischer Diskurs: Bis zum Ende des 1. Weltkriegs gehört Südtirol zu Österreich-Ungarn, das den Krieg verliert. 1919 wird die Republik Österreich gegründet und Südtirol fällt an das Königreich Italien. 1922 kommt es in Italien zur Machtergreifung des faschistischen Benito Mussolini. Und damit beginnt die Italienisierung Südtirols. Das Land und Bozen werden umgekrempelt, Italiener werden angesiedelt und angelockt, ein großes Industriegebiet zur Ansiedlung von Italienern wird angelegt. Auch Teile des Nusserhofes werden im Rahmen der Italienisierung enteignet, um dort den Güterbahnhof anzulegen. Hinter dem sogenannten Siegesdenkmal entsteht ein neuer faschistischer Muster-Stadtteil, dessen Architektur im heutigen Bozen heute noch gut zu erkennen ist.

Schließlich kommt es 1939 zum „Hitler-Mussolini-Abkommen“ und die deutschsprachigen Südtiroler müssen sich zwischen entscheiden – in Südtirol bleiben und Italiener werden oder deutsch zu bleiben und nach Deutschland auszuwandern. „Option“ heißt diese Entscheidung. Rund 80 Prozent der Südtiroler entscheiden sich für Deutschland, wobei längst nicht soviele tatsächlich auswandern. 

„Es war eine sehr schwierige Entscheidung, eine Entscheidung zwischen zwei Diktaturen“, so Paolo Valente. Josef Mayr-Nusser war ein sogenannter „Dableiber“, entscheidet sich für Südtirol und bleibt. 

Ein Besuch in Bozen

Ein Besuch in Bozen auf den Spuren dieser Geschichte ist spannend – und hoffentlich nach dem Ende der Coronakrise auch wieder zu empfehlen. Dazu gehört unbedingt der Besuch des sogenannten Siegesdenkmals. Errichtet wurde das Monument zur Erinnerung an den Sieg Italiens über Österreich-Ungarn. Nach dem Ende des Faschismus wusste man lange nicht, wie man mit der Stein gewordenen Geschichte umgeht. Erst seit 2014 gibt es in den Räumen unter dem Denkmal die Dokumentation „Ein Monument – eine Stadt – zwei Diktaturen“, die die spannende Geschichte erzählt – der Eintritt ist kostenlos! Und dann empfehle ich dringend einen Besuch des „faschistischen“ Stadtviertels mit seiner mächtigen Architektur. Auch ein Ausflug auf den Gerichtsplatz ist spannend, ebenfalls entstanden in dieser Zeit. Im Gebäude, in dem heute die Finanzämter untergebracht sind, war einst die Faschistische Partei zuhause. Ein riesiges Relief am Gebäude zeigt u.a. Mussolini. Vor wenigen Jahren wurde direkt davor mehrsprachig ein Zitat von Hannah Arendt angebracht: „Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen.“ Ein Bruch in der Nazi-Architektur. Wer sich mit dem faschistischen Bozen auseinandersetzt, der stößt bald auf Josef Mayr-Nusser. Für Paolo Valente ist er ein „Stolperstein“: „Wenn einer Nein sagt, wo alle andere Ja sagen,  dann ist das natürlich schwierig für die anderen, das zu akzeptieren.“ Als Seliger ist er unbequem, so Paolo Valente. „Seine Geschichte zwingt uns immer uns Fragen zu stellen zur Gegenwart. Wie treffen wir unsere Entscheidungen?“ Die Botschaft Mayr-Nusser ist: Wir müssen alle ein Zeugnis ablegen.“ 

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Dietrich Bonhoeffer – Faszination und Instrumentalisierung

Der Blog-Eintrag wurde zum 80. Todestag von Dietrich Bonhoeffer am Ende aktualisiert. 

Dietrich Bonhoeffer fasziniert. Viele Menschen. Auf unterschiedlichste Art und Weise. Das verwundert nicht, denn Dietrich Bonhoeffer ist ein facettenreicher Theologe. Er beweist viel Mut. Seit der Machtergreifung ist er ein Gegner Hitlers, ist Mitbegründer der Bekennenden Kirche und schließt sich frühzeitig dem Widerstand an. Er wehrt sich gegen die Judenverfolgung. Und er geht konsequent seinen Weg. Er schreibt wunderbare Texte mit Tiefgang. Und sie eignen sich als plakative Kalendersprüche … “man muss dem Rad selbst in die Speichen fallen.” Kein Wunder also, dass Bonhoeffer gerne zitiert und jetzt auch instrumentalisiert wird – von rechts. Dietrich Bonhoeffer – Faszination und Instrumentalisierung.

Das Leben von Dietrich Bonhoeffer, seine mutige Lebensgeschichte, begleitet mich seit 20 Jahren als Fernsehjournalist. Und wann immer ich einen Film über ihn mache, komme ich nach Flossenbürg. Ich erlebe ihn immer wieder als kalten Ort – was am Wind und an den Erinnerung an den 8. und 9. April 1945 liegt. Bonhoeffer wird hierher gebracht, um ermordet zu werden. Nur wenige Stunden ist er hier und dennoch ist er das prominenteste Opfer unter den 30.000 Menschen, die hier sterben. Er wird im Arresthof in Flossenbürg gemeinsam mit hochrangigen Militärs aus dem Widerstand erhängt.

Das Andenken an Dietrich Bonhoeffer ist lebendig in der KZ Gedenkstätte Flossenbürg, auch wenn die große Jugendbegegnung zum 75. Todestag ausfallen muss. Für die Gedenkstätte Flossenbürg und ihren Leiter Jörg Skriebeleit ist er bis heute sehr wichtig: „Bonhoeffer wird immer wieder aktualisiert. Bonhoeffer wird auch immer wieder instrumentalisiert. Das zeigt aber auch, dass Bonhoeffer als Person und in seiner Theologie eine Relevanz hat.“

Instrumentalisiert wird er unter anderem von der AfD und von den Evangelikalen in den USA im Kampf gegen Liberale, die Abtreibung oder Hillary Clinton. Die evangelische Kirche wehrt sich gegen einen Missbrauch Bonhoeffers, so auch der EKD Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm: „Politischer Instrumentalisierung Bonhoeffers muss man immer wieder ganz klar widersprechen. Für Dietrich Bonhoeffer war seine Frömmigkeit immer ganz stark verbunden mit der Weltzugewandtheit. Deswegen kann man Bonhoeffer sagen, wer fromm ist, muss auch politisch sein.“

Im letzten Jahr enthüllt der amerikanische Botschafter in Deutschland eine Gedenktafel für Bonhoeffer in Flossenbürg, unterzeichnet vom amerikanischen Präsidenten – ein Signal auch an die evangelikalen Wähler von Donald Trump. Und ein Beispiel für die falsche Instrumentalisierung von Dietrich Bonhoeffer. Spannend der Artikel “Wem gehört Bonhoeffer? Wie rechte Kreise den Theologen und Widerstandskämpfer vereinnahmen”. Von Arnd Henze, erschienen in den Zeitzeichen.

Einige meiner Beiträge über Bonhoeffer aus dem Archiv.

Tagesschau Bonhoeffer und Elser 9.4.20

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Dietrich Bonhoeffer – Faszination und Instrumentalisierung durch die AfD und die Evangelikalen in den USA. © BR Rundschau 9. April 2020

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Ein Impuls zum 75. Todestag mit Pfarrer Jens Hauschild von der evang.-lutherischen Apostelkirche in Neuburg an der Donau.  9. April 2020

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Erst zum 70. Todestag Bonhoeffers 2015 wird bekannt, dass eine mutige Tante ihn 1941 bis 1943 deckte. Denn in dieser Zeit war Dietrich Bonhoeffer in der Wohnung seiner Tante Christine Gräfin von Kalckreuth gemeldet in der Unertlstraße 1 in München polizeilich gemeldet. Da war der Pfarrer der „Bekennenden Kirche“ längst konspirativ gegen die Nazis tätig. Seine mutige Münchner Tante deckte ihn und brachte sich selber in Gefahr. 2015 erinnerte die evangelische Kirche in München an Dietrich Bonhoeffer und seine Tante. © BR Stationen 2015

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Zum 70. Todestag Dietrich Bonhoeffers trafen sich in der KZ Gedenkstätte Flossenbürg 400 junge Menschen zu einem Jugendtreffen, um an den Pfarrer zu erinnern. © BR Abendschau 2015

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Dietrich Bonhoeffer lebte für drei Monate zum Jahreswechsel 1940/41 versteckt bei den Benediktinern in Ettal. Ein starkes ökumenisches Zeichen. Ein Film zum 100. Geburtstag Dietrich Bonhoeffers 2006.

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Ökumenisches Andenken an Dietrich Bonhoeffer zum 60. Todestag. © BR Abendschau 2005

80. Todestag am 9. April 2025

Eine Aktualisierung fünf Jahre nach dem Eintrag von 2020. Leider hat sich die Welt nicht weiter im Sinne von Bonhoeffer entwickelt. Im Gegenteil: Russland führt seit mehr als drei Jahren Krieg gegen die Ukraine und in der USA herrscht in der zweiten Amtszeit Präsident Donald Trump. Er hat die evangelikalen Wählerinnen und Wähler auf seine Seite gezogen und u.a. Dietrich Bonhoeffer instrumentalisiert. Das wurde bei der Tagung “Wem gehört Bonhoeffer?” in den letzten Tagen in Flossenbürg sehr deutlich. Mein Filmbericht für bayern-evangelisch dazu.

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Walter Kuhn: „Niemalswieder“

Seine Münchner Mohnblumen haben ihn über Nacht bekannt gemacht: mit seiner Kunstaktion „Niemalswieder“ hat sich Walter Kuhn im Herbst 2018 auf dem Münchner Königsplatz in die Herzen vieler Münchner „gepflanzt“. Jetzt hat er dafür den Preis „Münchner Lichtblicke“ bekommen – von der Stadt, dem Migrationsbeirat und dem Verein „Lichterkette“. Und das völlig zurecht.

„Frieden schaffen ohne Waffen“, Ostermärsche und die Friedensbewegung – junge Leute kennen diese Slogans, Veranstaltungen und den Einsatz für den Frieden allenfalls noch aus Erzählungen. Doch dem 72jährigen Münchner Künstler Walter Kuhn ist es gelungen, junge Leute wieder für den Frieden zu sensibilisieren. Mit seiner Installation von 3000 kunstvollen Mohnblumen auf dem Münchner Königsplatz begeisterte er Jung und Alt.

Walter Kuhn ist einer der Menschen, die bei meiner Arbeit als Fernsehjournalist und Filmemacher einen tiefen, bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Ich bin Walter Kuhn vor, während und nach der Installation seiner Mohnblumen begegnet, durfte ihn mit der Kamera begleiten und habe ihn schätzen gelernt. Ein „spätberufener Künstler“ mit einer klaren Botschaft. Unbeirrbar und zugleich liebenswert und nicht starrköpfig. Eine Begegnung mit Walter Kuhn ist eine Bereicherung. Das haben viele auf dem Königsplatz gespürt. Ohne erhobenen Zeigefinger, mit der Kraft seiner Argumente und seiner freundlichen, zugewandten Art erzählt er vom Frieden. Ein Thema, das in unseren Zeiten weitgehend aus dem Blick geraten ist. Walter Kuhn vermutet, dass es heute mit Themen wie Klimawandel, Umweltzerstörung oder Armut auf der Welt zuviele Themen gibt, für die man sich engagieren muss.

Mit einfachen Sätzen bringt er es auf den Punkt: „Demonstrationen gegen den Krieg und für den Frieden – ich meine sie sind unheimlich wichtig, immernoch! Und auch Demonstrationen gegen das Wiederaufblühen von Nationalismus, von Rechtsradikalen, von Fremdenfeindlichkeit.“ Und: „Wenn es möglich wäre, den Rüstungsetat nur eines einzigen Jahres von über eineinhalb Billionen Dollar für die Entwicklungshilfe auszugeben, dann hätten wir ganz viele Probleme gemildert oder teilweise gelöst.“ Klar benennt er die Zusammenhänge. Kriege treiben Menschen in die Flucht, machen sie zu Flüchtlingen; Entwicklungshilfe hingegen könnte dafür sorgen, dass die Menschen in ihrer Heimat bleiben könnten. Und dadurch würden auch weniger Flüchtlinge zu uns kommen.

Bei der Stiftung Kolibri engagiert er sich für Flüchtlinge; besonders der Syrische Flüchtlingschor in München hat es ihm angetan, den er nach Kräften unterstützt. Die jungen Syrer, die in Deutschland auf der Flucht eine neue Heimat gefunden haben, haben wiederum Walter Kuhn bei seiner Kunstaktion „Niemalswieder“ auf dem Königsplatz unterstützt.

Seine Mohnblumen übrigens werden nicht verschwinden. Viele der 3000 Exemplare vom Königplatz sind bei seinen Unterstützern und Spendern gelandet. Und schon sind weitere Aktionen mit den Mohnblumen geplant.  Denn das Bild der Mohnblumen als Symbol für den Frieden ist über die Medien weltweit aus München hinaus getragen worden.

Impressionen und Beiträge über Walter Kuhn und Niemalswieder:

https://youtu.be/COknLwa-_fE

https://youtu.be/aoorChewpco

https://youtu.be/1sWsv0NCzI4