Unbedingt barfuß

Die wichtigste Frage, die mich bewegt, kann ich Christo auf den „floating piers“ persönlich stellen. Soll man Schuhe anbehalten oder barfuß gehen, wenn man über die „floating piers“ schreitet? „Barfuß, unbedingt barfuß, weil wenn die Sonne scheint, wird es richtig warm und golden. Es ist brilliant. Und wenn es regnet, dann trocknet es sehr schnell“, sagt mir Christo. Er selbst hat zu dem Aufbauarbeiten Gummistiefel und eine Regenjacke mit Kapuze an.

Zwei Italienerinnen, die die Journalisten beim ersten Besuch auf den schwimmenden pears begleiten, haben Christos Ansage befolgt und ihre Schuhe ausgezogen: „Ja, es ist so gut ohne Schuhe. Du spürst das Schwimmen der Docks, die Beschaffenheit des Stoffs und die Feuchtigkeit. Du denkst, Du läufst auf dem Wasser. Der Stoff ist ganz weich auf der Haut. Ich könnte hier stundenlang herum gehen.“

Das Mammutprojekt von Christo steht wenige Stunden vor der Vollendung. Es fehlen nur noch die Stoffbahnen auf den Gehsteigen der Insel, denn insgesamt werden 5,5 Kilometer des golden schimmernden Stoffs mit dem Namen „Dahlia“ ausgelegt. 2,5 Kilometer auf den Gehsteigen von Sulzano auf dem Festland und der Insel Monte Isola und 3 Kilometer auf den eigentlichen „floating piers“. Die sind in einem Kraftakt in der Nacht noch fertig bezogen worden, bevor die Journalisten am Donnerstag die Stege erstmals betreten dürfen. Oberhalb von Sulzano am Berg hat man schon jetzt einen phantastischen Blick. Die vielen Berge drumherum waren auch ein Grund von Christo, die „floating piers“ genau hier zu installieren. Der See und die große Insel Monte Isola und die kleine Sao Paolo scheinen wie gemacht für das Landart-Projekt. Ein entscheidender Grund jedoch war die schnelle Genehmigung und Zustimmung für das Projekt in der Lombardei.

Denn während beim Verpacken des Reichstags 1995 die Genehmigung ewig gedauert hat, vergingen in Italien gerade mal zwei Jahre vom ersten Besuch vor Ort bis zur Fertigstellung. Christo gesteht, dass er – 80jährig – das Projekt gerne noch erleben wollte. „Das Projekt ist ein Teil unseres Lebens. Das Projekt begleitet uns unser ganzes Leben lang, unsere ganze Reise, auch die von Jeanne-Claude.“ Seine Frau ist 2009 gestorben. „Wir haben 32 Projekte realisiert, für 37 wollten wir die Genehmigung“, so Christo. „Die Geschichte von „The floating piers“ beginnt vor langer, langer Zeit. Zunächst wollten wir es am Rio de la plata in Buenos Aires realisieren, bekamen aber keine Genehmigung. Dann haben wir zwei Jahre sehr hart gearbeitet, um die „floating piers“ in der Bucht von Tokio zu installieren. Auch hier wurde es nicht genehmigt.“ Und nachdem dass Projekt dann einige Zeit geruht hat, kam es 2014 wieder auf dem Tisch: „Wir haben dann überlegt, welches Projekt wir als nächstes anpacken. Und dann haben wir am Iseosee den Standort gefunden.“ Zum Glück war „the floating piers“ anders als etwa das Reichstags-Projekt nicht an ein bestimmtes Objekt gebunden.

Am Iseosee bekam Christo von vornherein viel Zustimmung. Paola Pezzotti, die rührige Bürgermeisterin von Sulzano, war schnell überzeugt. Denn anders als der nur 50 Kilometer entfernte Gardasee ist der Iseosee kein überlaufenes Touristenziel. Im Gegenteil: hier hätten sie gerne ein bisschen mehr Besucher und machen keinen Hehl daraus, dass „the floating piers“ den Tourismus in der Region anregen soll. Verdient hätte es die Gegend!

Frühere Artikel zum Thema:

https://bild-schoen-medien.de/the-floating-piers

https://bild-schoen-medien.de/christo-thefloatingpiers