Perspektiven in Tansania

Die Farbe der Haut mag verschieden sein, aber die Farbe des Blutes ist die gleiche.“  

Auch bei meiner zweiten Reise nach Tansania im Februar 2025 darf ich wieder tief eintauchen in das Land in Ostafrika, vielen spannenden Menschen begegnen. Meine Erwartungen werden mehr als erfüllt. Zu verdanken habe ich die Reise der „Aktion Feuerkinder Tansania“. Ich begleite Ärzte und Pflegerinnen, die Kinder orthopädisch operieren. Im Auftrag der Feuerkinder drehe ich einen Film zum 25. Geburtstag der Hilfsaktion. Doch auch darüberhinaus habe ich viele spannende Begegnungen; manche ohne Kamera und einige auch mit der Kamera. Und so sind einige Beiträge für das BR Fernsehen entstanden – sie sind in diesem Blogbeitrag verlinkt. 

Ich erlebe die unterschiedlichsten Facetten des Landes. Die Schönheit der beeindruckenden Landschaft –  schon beim Anflug auf den Kilimandscharo mit der aufgehenden Sonne und bei den Besuchen im Arusha und im Tarangire Nationalpark. Ein paar Eindrücke in diesem Film:

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Und ich erlebe die Hilfsbereitschaft und Neugier der Menschen. Und die Schattenseite: Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Wer die Hütten auf dem Land zwischen den Bananenpflanzen betritt, der erlebt nicht selten bittere Armut. Menschen und Tiere teilen sich kleine Lehmbauten. Es fehlt an einer angemessenen Gesundheitsversorgung. Es gibt aber auch eine wachsende Mittel- und Oberschicht, die sich etwas leisten kann. Und es gibt Korruption, einen Staat mit hohen Einnahmen aus dem blühenden Tourismus. Und mit großen Herausforderungen. 

Aktion Feuerkinder

Seit mittlerweile 25 Jahren operieren Ärzte und Pflegerinnen zweimal im Jahr ehrenamtlich Kinder im lutherischen Nkoranga Hospital am Mount Meru. Ich bin dankbar, dass ich bei einem Einsatz dabei sein darf und über diese tolle Arbeit einen Film machen darf. Elf engagierte Leute aus Bayern sind dieses Mal dabei, die mit Freude täglich bis zu zehn Stunden im OP stehen, zwei Wochen lang. 
Zunächst werden die Kinder untersucht, geröntgt und die Operationen geplant. Es sind vor allem Klumpfüße, X- und O-Beine, die die Orthopäden mit Unterstützung von Anästhesisten und OP-Schwestern hier korrigieren. Sie operieren die Fehlstellungen der Füße in zwei Teams parallel in zwei OPs, die wie Vieles hier aus deutschen Spendengeldern finanziert wurden. Leider werden in Tansania diese Deformierungen zumeist nicht behandelt und sind deshalb sehr ausgeprägt. Bei uns wird das im Kleinkindalter korrigiert – mit einfachen Mitteln.

Orthopädin Dr. Annemarie Schraml ist Kopf und Herz der Aktion. Sie organisiert – mittlerweile in Rente – die Reisen,  wirbt Spenden ein, um die laufenden Kosten zu finanzieren. Reisekosten und das gesamte medizinische Material müssen finanziert werden. Und sie steht an jedem Tag der zwei Reisen pro Jahr von früh bis spät mit Skalpell, Säge, Hammer und Zangen im „operation theatre“ des Krankenhauses, um selber zu operieren. 6,5 Millionen Euro an Spenden aus Deutschland sind mittlerweile in das Projekt geflossen.

Lebenslange Verbindungen 

Und ich muss von Peter erzählen. Peter wurde einst selbst von den Feuerkinder-Ärzten operiert, um ihm ein normales Leben zu ermöglichen. Heute ist er ein positiver, junger Mann, der in der orthopädischen Werkstatt von Usa River arbeitet, einer Behinderteneinrichtung der lutherischen Kirche in Tansania. Er fertigt nun für andere Kinder mit Behinderungen Hilfsmittel. Und er betreut Kinder, die gerade von den Feuerkinder-Ärzten operiert worden sind, im Aufwachraum der Klinik. Er freut sich, wenn die Mediziner aus Deutschland zweimal im Jahr dort sind und ist ihnen ein treuer Freund geworden. Das Feuerkinder-Team hat Kontakte zu vielen der früheren Patienten – lebenslange Verbindungen.
 
Bei allem Engagement bleibt ein großer Wunsch: die Ärzte und Pflegerinnen aus Deutschland wollen ihre Reisen nach Tansania eigentlich überflüssig machen. Denn das Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ gilt auch für diese orthopädischen Operationen. Schon seit längerem versuchen sie tansanischen Ärzten das Wissen weiterzugeben. 

Zum offiziellen Jubiläum am 28. September 2025 werde ich einen längeren Film über die Arbeit produzieren. Hier eine Kurzfassung.  Ein kleiner Teil davon war bereits in den STATIONEN im BR Fernsehen zu sehen.

Die Kammleiters: seit 30 Jahren in Tansania

Seit 30 Jahren leben Barbara und Reiner Kammleiter aus Rothenburg ob der Tauber in Tansania und leiten dort ein Ausbildungs- und Berufsschulzentrum – das Hai Vocational Training Centre. Der Ort Hai liegt zwischen Moshi am Kilimandscharo und Arusha am Mount Meru. Dort lernen bis zu 280 junge Leute Handwerksberufe vom Schreiner bis zum Elektriker und zur Schneiderin. Beeindruckend engagiert und strukturiert. 

Barbara und Reiner sind behutsame, vorsichtige Menschen. Und so zeigen sie mir erstmal einen Vormittag lang ihre Schule – ohne Kamera. Sie wollen erstmal wissen, wer da aus ihrer alten Heimat kommt und einen kleinen Film über sie drehen will. Einige Tage später darf ich wieder kommen und einen Beitrag für die BR Abendschau drehen. 

Reiner und Barbara sind 1994 hier angekommen –  im Auftrag von Mission EineWelt, dem Partnerschaftszentrum der Evangelischen Landeskirche in Bayern.  Sie bekamen hier in Hai drei Söhne, 1999 wurde Reiner Schulleiter – er ist es bis heute. Und Reiner wird der einzige deutsche Leiter bleiben, denn mit seiner Rente in einigen Jahren soll ein Tansanier das VTC in die Hand nehmen.

Und die Spezialität: Reiner ist gelernter Orgelbauer und baut Orgeln, einige davon stehen in Franken. In Tansania gibt es 22 seiner Orgeln, zwei weitere sind derzeit in Vorbereitung. Kirchenmusik muss laut sein in Tansania. Und deshalb kommen meist Keyboards zum Einsatz. Schöne, klangvolle Kirchenorgeln, noch zumal sie deutlich teurer sind, gibt es oft nur in großen Kirchen, wie in der Bischofskirche von Moshi.

Aufträge zur Finanzierung der Schule

Dass Berufsschulen Aufträge von Außen annehmen, ist in Deutschland nicht denkbar. In Tansania ist das ganz anders, denn um das Zentrum zu finanzieren, müssen die Kammleiters auch Aufträge von Außen annehmen. Die 48 Lehrkräfte werden durch das Schulgeld der Familien der Auszubildenden finanziert. Alles Andere zum Beispiel durch den Bau von praktischen Kirchenbänken, Lesepulten, Schreibtischen, Tischen, Stühlen, Schneidbrettern, kleinen Kreuzen und eben Orgeln.

Beeindruckend die Kammleiters. Sie haben, so wirkt es, allerlei Entbehrungen in ihrem Leben in Kauf genommen, um ihre Schule aufzubauen. Reiner vergleicht sie mit einem Auto. Er möchte das Auto gut gewartet, in einem guten Zustand, fahrbereit an seinen Nachfolger übergeben. Und Barbara arbeitet quasi ehrenamtlich mit, denn Geld gibts eben nicht viel. Geschaffen haben sie ein stolzes Lebenswerk am Fuß des Kilimandscharo, das sich sehen lassen kann. Sie haben mit ihren Mitarbeitern tausenden jungen Tansanierinnen und Tansaniern eine gute Zukunft ermöglicht.

Kaffee aus Tansania in Augsburg

Das Nkoranga Lutheran Hospital, wo die Ärzte der „Aktion Feuerkinder“ operieren, steht inmitten von Plantagen und Wäldern an den Hängen des Mount Meru. In den Plantagen wächst Kaffee, der unter anderem nach Augsburg exportiert wird. Ich besuche David, dessen Bruder Allan gemeinsam mit seiner Frau in Augsburg ein Café und eine Rösterei betreibt: Kaffee aus Tansania in Augsburg

Ich bekomme eine Führung durch die Plantagen. Kaffee wächst am besten im Schatten. Deshalb stehen die Kaffeepflanzen oft unter großen Bananenpflanzen. Das hat auch den Vorteil für die Kleinbauern, dass sie Bananen, Kaffe, manchmal auch Gemüse und Vanille gemeinsam anbauen können. Die Kaffeebohnen werden übrigens nicht gleichzeitig reif. Die Ernte in unseren Sommermonaten zieht sich über einige Zeit hin, so dass die Bauern öfters ernten müssen. Am Ende der spannenden Führung haben wir selber Kaffeebohnen geschält – sie haben zwei Schalen. Anschließend werden die Bohnen über dem Feuer geröstet, gemahlen und daraus auf dem offenen Feuer Kaffee gekocht. Der Weg von der Bohne in die Tasse ist lang und arbeitsreich. 

Zuhause besuche ich Allan in Augsburg. Er lebt seit 2006 in Deutschland, hat hier Wirtschaft studiert und gemeinsam mit seiner deutschen Frau Katharina einen Kaffeehandel mit Tansania aufgebaut. Gemeinsam betreiben die beiden seit 2018 ihr Kaffee mit einer Rösterei in Augsburg. In ihrer Heimat sind es vor allem Kleinbauern, die den Kaffe in der hoch gelegenen Region anbauen. Allan versucht einen fairen Kaffeehandel aufzubauen. Mein Beitrag für die BR Abendschau: 

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Zeichen der Hoffnung

Zwei Wochen mit viel Hoffnung. Dank meiner europäischen und afrikanischen Begleiter*innen habe ich viele gute Beispiele für Menschlichkeit und Erfolge erlebt. 

Überschattet wird mein Besuch vom Amtsantritt von Donald Trump zu seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident. Und wie sich herausstellt, wird das auch für den afrikanischen Kontinent gravierende Folgen haben.

Es geht um Leben und Tod

Kurzfristig und spontan empfiehlt mir Claus Heim, Tansania-Referent von Mission EineWelt der Evangelischen Landeskirche in Bayern ein Gespräch mit Dr. Paul Mmbando, Direktor der Gesundheitsabteilung der Evangelisch-Lutherischen Kirche  (ELCT) von Tansania. Ein Gespräch das ich nicht vergessen werde. Der Arzt ist zuständig für die 24 Krankenhäuser und 148 Gesundheitszentren der ELCT im ganzen Land. Dazu muss man wissen, dass diese lutherischen Zentren und Hospitäler ein sehr wichtiger Teil der Gesundheitsversorgung im ländlichen Tansania sind. 


Was bedeutet das Ende der amerikanischen Gesundheitsprogramme von USAid für Tansania, will ich von dem Arzt wissen. Zur Erinnerung: Präsident Trump hat nach seinem Amtsantritt USAid für 90 Tage stillgelegt und nicht nur im eigenen Land tausende Mitarbeitende entlassen. Trump hat damit über Leben und vor allem Tod entschieden. Anders kann man es nicht sagen.

Dr. Mmbando erklärt, dass USAid in Tansania als wichtiges Programm vor allem die Behandlung gegen HIV/AIDS und Tuberkulose finanziert hat. Die Arbeit von mehr als 3000 Menschen und die Medikamente für 1,4 Millionen Menschen, dank derer sie mit dem HIV-Virus leben können, wurden von den USA bezahlt. Jetzt nicht mehr. Die Entscheidung sei ein Weckruf, verbunden mit der Frage: was für eine Welt wollen wir – mit Blick auf das Mitgefühl und die Humanität. 

Die Entscheidung der USA ist ein „Weckruf“ 

Eine unglaubliche Zahl: 165.000 Kinder vom Säugling bis 17 Jahre sind in Tansania HIV+. Unschuldig. Weil Ihre Eltern infiziert wurden, oft unwissentlich. Und diese Menschenleben hängen an den Medikamenten von USAid. Sie werden jetzt nicht mehr bezahlt. Es sind, so der Arzt, verletzliche, unschuldige Kinder, die oft durch AIDS ihre Eltern verloren haben, in anderen Familien, bei den Großmüttern leben. 

Für Dr. Paul Mmbando ist klar: Menschen werden jetzt sterben! Die Entscheidung von Trump heißt: „lasst die Menschen sterben“. Denn dem tansanischen Staat wird es kaum gelingen die Gelder für dieses große Programm anderswo aufzutreiben, ist zu befürchten.  Die Entscheidung der USA sei ein „Weckruf“. Freilich könne man nicht verlangen, dass die USA ewig diese Programme finanzieren, aber die plötzliche Entscheidung sei eine Katastrophe.

Finanziert wurden durch USAid auch Programme zur Familienplanung. Das Ende wird auch bedeuten, dass es zu ungewollten Schwangerschaften kommen wird, zu Abtreibungen und zu Kindestötungen, sagt der Arzt.

Dr. Mmbando appelliert an die Humanität der Menschen – über das Leben dürfe nicht entscheiden, auf welchem Kontinent man geboren wurde, welches Geschlecht oder welche Hautfarbe man habe, ob man reich oder arm geboren werde, ob man gebildet oder weniger gebildet sei. Als Christen sind für uns alle Menschen gleich.

Mein Beitrag zum Thema für BR24.