Mit dem Auge von Christo und Jeanne-Claude

Am 31. Mai letzten Jahres ist der große Künstler Christo kurz vor seinem 85. Geburtstag gestorben. Und es war sein großer Wunsch, dass die Verhüllung des Arc de Triomphe in Paris auch nach seinem Tod von seinem Team realisiert wird. Und so sorgt unter anderem Christos deutscher Fotograf Wolfgang Volz dafür, dass in diesen Tagen wieder einmal eines jener herrlichen Christo-Projekte Wirklichkeit wird. So wie auf Christos Entwürfen wird der Triumphbogen aussehen. Bei einem Besuch während der Aufbauarbeiten konnte ich „das Auge von Christo und Jeanne-Claude“, wie man Wolfgang Volz nennt, treffen. 

Einer der längsten Weggefährten

Ein lockeres, sehr angenehmes Zusammentreffen direkt am Place Charles de Gaulle, an dem zwölf Straßen auf den Arc de Triomphe treffen. Dieses Mal sei er „nur“ der Fotograf, sagt der 74jährige bescheiden. Doch es stellt sich dann sehr schnell heraus, dass er doch vielmehr ist. Denn er hat bei der Beschaffung der 25.000 Quadratmeter Polyproplyen-Gewebe geholfen, mit dem der Triumphbogen verhüllt wird. Es stammt von der gleichen Firma, aus der gleichen Webmaschine und ist von der gleichen Machart, wie das Gewebe für die Verhüllung des Berliner Reichstags 1995. Und damals spielte Wolfgang Volz als enger Vertrauter von Christo und Jeanne-Claude und als Deutscher eine große Rolle bei der Realisierung. „Jetzt bin ich plötzlich derjenige, der 50 Jahre dabei ist“, sagt er. Einer der längsten Weggefährten von Christo und Jeanne-Claude, die bereits 2009 starb. 

Erinnerungen an den Berliner Reichstag

Ich hatte beim Besuch des Arc de Triomphe während des Aufbaus die Gelegenheit das Material ganz genau anzusehen und anzufassen. Und es erinnert tatsächlich – wie das gesamte Projekt – sehr stark an die Verhüllung des Reichstags 1995. Auch Wolfgang Volz verweist auf die vielen Parallelen. Zum Beispiel auf den günstigen historischen Zeitpunkt.  „Alle Projekte haben ihren Moment in der Geschichte.“ Beim Reichstag war es ganz klar der Mauerfall und eine Liberalisierung des Areals. Ohne Mauerfall wäre es nie dazugekommen, so Wolfgang Volz. Und in Paris ist es so, dass der Ministerpräsident für das Projekt ist und so der Zeitpunkt günstig für die Realisierung war. Natürlich erinnert Wolfgang Volz an die beiden Köpfe des Projekts. Das Team versuche alles so zu realisieren, wie Christo und Jeanne-Claude es wohl gemacht hätten. Bis knapp vor Christos Tod haben sich alle intensiv mit ihm ausgetauscht über das Projekt, haben Tests gemacht, wo Christo noch sagen konnte, „dieses Silber, bisschen mehr bläulich, diese Seile, diesen Seildurchmesser, diese Seilfarbe“.  Das Team fühlt sich relativ sicher in der Realisierung des Projektes, dass „wir das machen, was die beiden im Himmel uns machen lassen“, sagt Wolfgang Volz und blickt vielsagend und augenzwinkernd in den Himmel über Paris. 

Bis 3. Oktober ist der verhüllte Arc de Triomphe in Paris dann zu besichtigen – wie bei allen Werken der Künstler kostenlos. Finanziert wird es stets durch den Verkauf von Christos Entwürfen und Skizzen, eine öffentliche Förderung wollte er nie. Wer an den drei Wochenenden während der Verhüllung kommt, hat auch die außergewöhnliche Möglichkeit auf dem Platz zu laufen, denn die Straßen werden an den Wochenenden gesperrt. Möglich ist während der gesamten Zeit auch der allerdings kostenpflichtige Aufstieg auf den Triumphbogen – eine Buchung vorab ist empfehlenswert:

http://www.lecmn.fr/ChristoParis/Tickets

Spannend und wichtig auch die Informationen, der Livestream und die vielen Bilder auf der offiziellen Website:

 

https://christojeanneclaude.net/press/arc-de-triomphe-wrapped/

 

Mit dem TGV oder ICE ist Paris ohne Umsteigen von Deutschland aus bequem zu erreichen. Und vom Gare de l’est ist nicht weit zum Arc de Triomphe. Und Paris ist ja sowieso eine Reise wert. Wir werden uns das fertige Projekt auch ansehen!

 

 

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Unser Beitrag über Wolfgang Volz aus der © BR Abendschau 2021.

Ein Lichtblick: die Lichtkünstlerin Inge Dick

“Das Licht ist unfassbar”, sagt Inge Dick. Und doch gelingt es der Malerin und Fotografin das Licht “einzufangen”. Und wer sich mit ihrem Werk beschäftigt, der versteht mehr vom Licht, seiner Kraft und vor allem von seiner unendlichen Farbenvielfalt.

Auch mich beschäftigt das Licht und seine Wirkung in meinen Fotografien und Filmen immer stärker. Licht ist ein großes Stilmittel, wenn man es mutig einsetzt.  Und Mut hat Inge Dick in ihrem Leben besessen. Jetzt ist sie 80 Jahre alt, hat den Österreichischen Kunstpreis für Künstlerische Fotografie bekommen. Unermüdlich ist sie kreativ und setzt neue Ideen um. Ich hatte das große Glück und die Freude sie dank des Ingolstädter Museums für Konkrete Kunst (MKK) in ihrer Heimat am Mondsee in Österreich besuchen und für die Ausstellung “raum licht zeit” filmisch zu porträtieren. 

Ohne Licht gäbe es kein Leben”, sagt Inge Dick. Ohne Licht hätten wir keine Nahrung, es wächst nichts ohne Licht, die ganze Buntheit würde fehlen: “Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen.” Von Inge Dick kann man viel über das Licht lernen. In ihrem Werk, das jetzt in Ingolstadt gezeigt wird, hat sie das Licht in seine einzelnen Farben zerlegt. Und dabei macht sie das Unsichtbare sichtbar. Faszinierend!

Mit ihrem “Jahreslichtprojekt” ist sie jetzt im Museum für Konkrete Kunst und Design (MKK) in Ingolstadt zu sehen (bis 5. Dezember 2021). Das Projekt ist so einfach wie genial und vorläufiger Höhepunkt einer jahrzehntelangen Entwicklung von Inge Dick. Sie hat in einem puren weißen Raum eine weiße Fläche über mehrere Tage mit einer festen Blende und einem festen Weißabgleich gefilmt. Und das jeweils in den vier Jahreszeiten. Sie selbst war völlig begeistert, wie gewaltig das Farbenspektrum unseres Lichts ist. Das hat sie festgehalten und dabei hunderte unterschiedlicher Farben als “Stills”, also als Standbilder erhalten. Und aus diesen hat sie Farben ausgewählt und künstlerisch in unterschiedlichste Bilder umgesetzt:  herbst licht weiss, sommer licht weiss, winter licht weiss, frühling licht weiss heißen die Arbeiten, die in Ingolstadt in vielfältigen Formen zu sehen sind. 

Für Simone Schimpf, langjährige Direktorin des MKK, ist das Faszinierende an Inge Dicks Arbeiten, dass sie etwas sichtbar machen, was wir mit unserem Auge nicht wahrnehmen können. Wir spüren zwar wie sich das Licht verändert, sagt sie, aber wir werden die einzelnen Farbtöne, die Inge Dick zeigt, nie genau beschreiben können. “Das ist immer wieder unglaublich überraschend, wenn ich davor stehe. Das soll eine weiße Wand sein, die abgefilmt worden ist und hat diese Farbigkeit. Das Verrückte ist, dass alle Farben dabei sind außer Weiß und Schwarz. Es berührt uns so tief, weil wir hier Licht ganz anders erleben.” Das MKK, das Simone Schimpf nach dieser Ausstellung verlässt, weil sie in Nürnberg Direktorin des Neuen Museums geworden ist, ehrt Inge Dick: sie gehört dauerhaft zu den Künstlerinnen der Stiftung des MKK – eines ihrer Werke wurde für die Ingolstädter Sammlung angekauft. 

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Der Film zur Ingolstädter Ausstellung.

Zuhause ist Inge Dick am Mondsee in Österreich. In einem alten Bauernhaus hat sie dort, wo einst das Heu gelagert wurde, ein lichtdurchflutetes Atelier mit Blick über den Mondsee. Es ist nicht der See und die gegenüberliegende Drachenwand, die ihre Arbeiten bestimmen, es sind die Lichtstimmungen, die dort herrschen. “Woanders würden die Arbeiten anders werden”, sagt Inge Dick.

Ihre Leidenschaft für die Kunst hat Inge Dick schon sehr früh erkannt. Ihre Mutter war Graphikerin und Malerin. Und Inge hat ihr zugesehen und hat sich gedacht, ich möchte auch Malerin werden. Der Lebenstraum ist in Erfüllung gegangen. Inge Dicks Mutter stirbt als sie zehn Jahre alt ist. Ein abwechslungsreicher Lebenslauf, mit nur zwei Semestern auf der Akademie in Wien, weil dann ihre beiden Kinder geboren werden. “Ich bin überzeugt, dass man einen Schutzengel hat”, sagt Inge Dick. Nach der Scheidung von ihrem ersten Mann kommt sie schließlich mit ihrem zweiten Mann Rolf an den Mondsee, wo sie bis heute den Bauernhof seiner Familie bewohnen. Die Landwirtschaft haben sie mittlerweile auf die Zucht von Isländer-Pferden umgestellt. In Österreich hat sie auch sakrale Kunst für Kirchen oder einen Meditationsraum in Salzburg geschaffen.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich Inge Dick bei einem zweitägigen Besuch bei ihr am Mondsee und beim Aufbau der Ausstellung in Ingolstadt kennenlernen durfte. Meinen Blick auf das Licht und die Farben und die Zeit hat sie geschärft. Und dann gab es noch einen kleinen persönlichen Höhepunkt. Inge Dick hat uns in Neuburg an der Donau besucht – nun ist unsere Pizza zur Kunst erhoben!