Kleines Estland groß bei der Digitalisierung

Seit Ende 2024 kann man auch den Antrag für die Scheidung in Estland digital stellen – seitdem ist das nördlichste Land des Baltikums zu 100 Prozent digital. Es war der letzte und aus der Sicht der Esten wohl auch unwichtigste Verwaltungsakt, den man digitalisiert hat. Doch das Signal ist eindeutig: der estnische Staat funktioniert komplett digital. In Deutschland ist man davon noch sehr weit entfernt. 

Estland wurde 1991 endlich dauerhaft unabhängig. Davor hatte das Land – nach einer kurzen Phase der Unabhängigkeit von 1918 bis 1940 – jahrzehntelang zur Sowjetunion gehört. Doch mit der Eigenständigkeit erkannten die Esten, dass sie es mit nur 1,3 Millionen Bürgerinnen und Bürgern schwer haben mit einem eigenständigen Staat. Und setzten deshalb konsequent von Anfang an auf Digitalisierung – mit großen Erfolg. 

Zu Gast bei e-estonia

Dank eines Tipps eines Estland-Kenners lerne ich e-estonia kennen – das Informationszentrum für die Digitalisierung Estlands. Dort kann sich jede*r Vorträge zu dem Thema anhören – ganz analog, allerdings spannend gemacht und mit der Gelegenheit zu Nachfragen. Ich frage per e-mail an und habe binnen weniger Minuten eine Antwort. Am nächsten Tag bekomme ich die Möglichkeit mich in dem Zentrum in der Hauptstadt Tallinn einer Gruppe von Studierenden aus Asien anzuschließen. Und das mache ich.

Rannar Park von e-estonia führt uns ein in das digitale Estland. Ausgangspunkt war eine klare Analyse zur Staatsgründung: das Land ist klein, die Zahl der Einwohner sinkt  – trotz Zuwanderung bis heute. Und so ging man daran, wenn man so will, den Staat digital zu gründen. Grundlage ist eine Personennummer und ein digitaler Ausweis, den Jede*r auf dem Handy bei sich tragen kann, aber auch immer noch analog als Plastikkarte, wenn man will. Das sei wichtig in Estland: niemand werde gezwungen zur Digitalisierung, es gibt auch noch analoge Möglichkeiten. Und noch etwas ist Rannar Park wichtig: Digitalisierung sei ein Ausdruck moderner Gesellschaften; bei konservativen Regierungen bleibt die Digitalisierung zumeist zurück. 

Bestes Beispiel für die Digitalisierung ist das digitale Wahlrecht: in Estland kann man digital wählen, muss man aber nicht. Bei der letzten Wahl 2023 nutzten 51 Prozent der Esten die digitale Möglichkeit der Abstimmung. Das zeigt auch, das viele Bürger*innen dem analogen Kreuzchen auf dem Wahlzettel noch mehr vertrauen. Denn natürlich ist das i-voting nicht unumstritten. Doch die Tendenz der digitalen Stimmabgabe ist eindeutig steigend. Der Vorteil bei der digitalen Wahl, so Rannar: man kann innerhalb eines bestimmten Zeitraums seine Wahl noch einmal ändern und jemand anders oder eine andere Partei wählen. Und man kann als Este ohne Probleme auch wählen, wenn man im Ausland unterwegs ist. Bei der letzten Bundestagswahl in Deutschland kamen Stimmzettel, die in Botschaften im Ausland abgegeben wurden, zum Teil nicht mehr rechtzeitig an, um ausgezählt zu werden.

Digitale Steuererklärung und Bildung

Der Großteil der Digitalisierung in Estland geschieht durch Unternehmen, die staatliche Bürokratie ist klein. Ein großer Vorteil: das spart sehr viel Geld und die Verwaltung beeinflusst – anders als zum Beispiel in Deutschland – den Weg des Staates nicht. Und auch die Bürger*innen sparen viel Geld durch die Digitalisierung. Zum Beispiel bei der Steuererklärung. Die ist binnen weniger Minuten von zuhause aus erledigt. Auch das Schulwesen – zum Beispiel die Schulbücher – wurde schon vor langer Zeit digitalisiert. Zwar findet die Schule normalerweise an vier Tagen in Präsenz statt, doch zu Zeiten von Corona gab es in Estland keinerlei Probleme, weil die Schüler*innen einfach von zuhause aus am Unterricht teilnehmen konnten. Estland hat sehr frühzeitig die Bedeutung von Bildung erkannt und gilt heute als hoch gebildetes Land, exportiert Wissen. 

Erfolgreiche Unternehmen

Vor allem die breit aufgestellte Wirtschaft profitiert sehr stark von der Digitalisierung Estlands. Vorzeigeunternehmen ist Skype, das 2003 als Start-up von drei Esten gegründet wurde und in frühen Jahren sehr erfolgreich war auf dem Markt der Videokonferenzen. Ich konnte einen der Gründer, Ahti Heinla, vor einigen Jahren bei einem Filmprojekt in Tallinn kennenlernen. Später hat er sich mit dem Unternehmen Starship – Technologies mit der Zukunft der Auslieferung von Produkten durch kleine mobile Roboter beschäftigt. Man siehst sie in Estland oder auch Finnland gelegentlich autonom unterwegs bei der Auslieferung.

Wirtschaftlich ist Estland sehr erfolgreich. Und wer mag, kann sich auch als Nicht-Este an dem Erfolg beteiligen: man kann – natürlich digital – eine E-Residency in Estland erwerben. Damit ist man kein Bürger von Estland und bekommt keinen Pass, aber man kann innerhalb kurzer Zeit dort ein Unternehmen gründen und damit vom digitalisierten Staat profitieren – auch als Ausländer*in. Estland profitiert davon finanziell. Denn wer so ein estnisches Start-up im Ausland gründet und mit dem Unternehmen Gewinne macht, zahlt in Estland Steuern.  

Natürlich gibt es auch kritische Stimmen, aber die Akzeptanz der digitalen Dienstleistungen im kleinsten der drei baltischen Staaten ist hoch. Estland hat es außerdem verstanden, als kleines Land große Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. 

Und bei aller Digitalisierung noch eine wichtige Information: den Antrag auf Scheidung oder auch Heirat kann man digital stellen. Für die persönliche Unterschrift muss man dann doch noch aufs Amt kommen.

Beitrag zur Sicherheit des Landes

Estland gelingt damit auch die wichtige weltweite Vernetzung – und das ist im Angesicht der Bedrohung durch Russland von großem Wert. Denn Estland hat eine lange Grenze zu Russland, ist Teil der EU, der NATO und dank der Digitalisierung auch Teil der globalen Wirtschaft. Angesichts der langen Vergangenheit als Teil der Sowjetunion weiß Estland, was Freiheit bedeutet. Von 1944 bis 1991 starben mehr als 20.000 Esten durch die Verfolgung innerhalb der Sowjetunion. Menschen wurden in andere Teile Russlands deportiert oder flohen in den Westen. 

Bei einer Reise durch Estland begegnet man immer wieder der sowjetischen Vergangenheit – und man erlebt das moderne aufgeschlossene Estland.

Perspektiven in Tansania

Die Farbe der Haut mag verschieden sein, aber die Farbe des Blutes ist die gleiche.“  

Auch bei meiner zweiten Reise nach Tansania im Februar 2025 darf ich wieder tief eintauchen in das Land in Ostafrika, vielen spannenden Menschen begegnen. Meine Erwartungen werden mehr als erfüllt. Zu verdanken habe ich die Reise der „Aktion Feuerkinder Tansania“. Ich begleite Ärzte und Pflegerinnen, die Kinder orthopädisch operieren. Im Auftrag der Feuerkinder drehe ich einen Film zum 25. Geburtstag der Hilfsaktion. Doch auch darüberhinaus habe ich viele spannende Begegnungen; manche ohne Kamera und einige auch mit der Kamera. Und so sind einige Beiträge für das BR Fernsehen entstanden – sie sind in diesem Blogbeitrag verlinkt. 

Ich erlebe die unterschiedlichsten Facetten des Landes. Die Schönheit der beeindruckenden Landschaft –  schon beim Anflug auf den Kilimandscharo mit der aufgehenden Sonne und bei den Besuchen im Arusha und im Tarangire Nationalpark. Ein paar Eindrücke in diesem Film:

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Und ich erlebe die Hilfsbereitschaft und Neugier der Menschen. Und die Schattenseite: Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Wer die Hütten auf dem Land zwischen den Bananenpflanzen betritt, der erlebt nicht selten bittere Armut. Menschen und Tiere teilen sich kleine Lehmbauten. Es fehlt an einer angemessenen Gesundheitsversorgung. Es gibt aber auch eine wachsende Mittel- und Oberschicht, die sich etwas leisten kann. Und es gibt Korruption, einen Staat mit hohen Einnahmen aus dem blühenden Tourismus. Und mit großen Herausforderungen. 

Aktion Feuerkinder

Seit mittlerweile 25 Jahren operieren Ärzte und Pflegerinnen zweimal im Jahr ehrenamtlich Kinder im lutherischen Nkoranga Hospital am Mount Meru. Ich bin dankbar, dass ich bei einem Einsatz dabei sein darf und über diese tolle Arbeit einen Film machen darf. Elf engagierte Leute aus Bayern sind dieses Mal dabei, die mit Freude täglich bis zu zehn Stunden im OP stehen, zwei Wochen lang. 
Zunächst werden die Kinder untersucht, geröntgt und die Operationen geplant. Es sind vor allem Klumpfüße, X- und O-Beine, die die Orthopäden mit Unterstützung von Anästhesisten und OP-Schwestern hier korrigieren. Sie operieren die Fehlstellungen der Füße in zwei Teams parallel in zwei OPs, die wie Vieles hier aus deutschen Spendengeldern finanziert wurden. Leider werden in Tansania diese Deformierungen zumeist nicht behandelt und sind deshalb sehr ausgeprägt. Bei uns wird das im Kleinkindalter korrigiert – mit einfachen Mitteln.

Orthopädin Dr. Annemarie Schraml ist Kopf und Herz der Aktion. Sie organisiert – mittlerweile in Rente – die Reisen,  wirbt Spenden ein, um die laufenden Kosten zu finanzieren. Reisekosten und das gesamte medizinische Material müssen finanziert werden. Und sie steht an jedem Tag der zwei Reisen pro Jahr von früh bis spät mit Skalpell, Säge, Hammer und Zangen im „operation theatre“ des Krankenhauses, um selber zu operieren. 6,5 Millionen Euro an Spenden aus Deutschland sind mittlerweile in das Projekt geflossen.

Lebenslange Verbindungen 

Und ich muss von Peter erzählen. Peter wurde einst selbst von den Feuerkinder-Ärzten operiert, um ihm ein normales Leben zu ermöglichen. Heute ist er ein positiver, junger Mann, der in der orthopädischen Werkstatt von Usa River arbeitet, einer Behinderteneinrichtung der lutherischen Kirche in Tansania. Er fertigt nun für andere Kinder mit Behinderungen Hilfsmittel. Und er betreut Kinder, die gerade von den Feuerkinder-Ärzten operiert worden sind, im Aufwachraum der Klinik. Er freut sich, wenn die Mediziner aus Deutschland zweimal im Jahr dort sind und ist ihnen ein treuer Freund geworden. Das Feuerkinder-Team hat Kontakte zu vielen der früheren Patienten – lebenslange Verbindungen.
 
Bei allem Engagement bleibt ein großer Wunsch: die Ärzte und Pflegerinnen aus Deutschland wollen ihre Reisen nach Tansania eigentlich überflüssig machen. Denn das Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ gilt auch für diese orthopädischen Operationen. Schon seit längerem versuchen sie tansanischen Ärzten das Wissen weiterzugeben. 

Zum offiziellen Jubiläum am 28. September 2025 werde ich einen längeren Film über die Arbeit produzieren. Hier eine Kurzfassung.  Ein kleiner Teil davon war bereits in den STATIONEN im BR Fernsehen zu sehen.

Die Kammleiters: seit 30 Jahren in Tansania

Seit 30 Jahren leben Barbara und Reiner Kammleiter aus Rothenburg ob der Tauber in Tansania und leiten dort ein Ausbildungs- und Berufsschulzentrum – das Hai Vocational Training Centre. Der Ort Hai liegt zwischen Moshi am Kilimandscharo und Arusha am Mount Meru. Dort lernen bis zu 280 junge Leute Handwerksberufe vom Schreiner bis zum Elektriker und zur Schneiderin. Beeindruckend engagiert und strukturiert. 

Barbara und Reiner sind behutsame, vorsichtige Menschen. Und so zeigen sie mir erstmal einen Vormittag lang ihre Schule – ohne Kamera. Sie wollen erstmal wissen, wer da aus ihrer alten Heimat kommt und einen kleinen Film über sie drehen will. Einige Tage später darf ich wieder kommen und einen Beitrag für die BR Abendschau drehen. 

Reiner und Barbara sind 1994 hier angekommen –  im Auftrag von Mission EineWelt, dem Partnerschaftszentrum der Evangelischen Landeskirche in Bayern.  Sie bekamen hier in Hai drei Söhne, 1999 wurde Reiner Schulleiter – er ist es bis heute. Und Reiner wird der einzige deutsche Leiter bleiben, denn mit seiner Rente in einigen Jahren soll ein Tansanier das VTC in die Hand nehmen.

Und die Spezialität: Reiner ist gelernter Orgelbauer und baut Orgeln, einige davon stehen in Franken. In Tansania gibt es 22 seiner Orgeln, zwei weitere sind derzeit in Vorbereitung. Kirchenmusik muss laut sein in Tansania. Und deshalb kommen meist Keyboards zum Einsatz. Schöne, klangvolle Kirchenorgeln, noch zumal sie deutlich teurer sind, gibt es oft nur in großen Kirchen, wie in der Bischofskirche von Moshi.

Aufträge zur Finanzierung der Schule

Dass Berufsschulen Aufträge von Außen annehmen, ist in Deutschland nicht denkbar. In Tansania ist das ganz anders, denn um das Zentrum zu finanzieren, müssen die Kammleiters auch Aufträge von Außen annehmen. Die 48 Lehrkräfte werden durch das Schulgeld der Familien der Auszubildenden finanziert. Alles Andere zum Beispiel durch den Bau von praktischen Kirchenbänken, Lesepulten, Schreibtischen, Tischen, Stühlen, Schneidbrettern, kleinen Kreuzen und eben Orgeln.

Beeindruckend die Kammleiters. Sie haben, so wirkt es, allerlei Entbehrungen in ihrem Leben in Kauf genommen, um ihre Schule aufzubauen. Reiner vergleicht sie mit einem Auto. Er möchte das Auto gut gewartet, in einem guten Zustand, fahrbereit an seinen Nachfolger übergeben. Und Barbara arbeitet quasi ehrenamtlich mit, denn Geld gibts eben nicht viel. Geschaffen haben sie ein stolzes Lebenswerk am Fuß des Kilimandscharo, das sich sehen lassen kann. Sie haben mit ihren Mitarbeitern tausenden jungen Tansanierinnen und Tansaniern eine gute Zukunft ermöglicht.

Kaffee aus Tansania in Augsburg

Das Nkoranga Lutheran Hospital, wo die Ärzte der „Aktion Feuerkinder“ operieren, steht inmitten von Plantagen und Wäldern an den Hängen des Mount Meru. In den Plantagen wächst Kaffee, der unter anderem nach Augsburg exportiert wird. Ich besuche David, dessen Bruder Allan gemeinsam mit seiner Frau in Augsburg ein Café und eine Rösterei betreibt: Kaffee aus Tansania in Augsburg

Ich bekomme eine Führung durch die Plantagen. Kaffee wächst am besten im Schatten. Deshalb stehen die Kaffeepflanzen oft unter großen Bananenpflanzen. Das hat auch den Vorteil für die Kleinbauern, dass sie Bananen, Kaffe, manchmal auch Gemüse und Vanille gemeinsam anbauen können. Die Kaffeebohnen werden übrigens nicht gleichzeitig reif. Die Ernte in unseren Sommermonaten zieht sich über einige Zeit hin, so dass die Bauern öfters ernten müssen. Am Ende der spannenden Führung haben wir selber Kaffeebohnen geschält – sie haben zwei Schalen. Anschließend werden die Bohnen über dem Feuer geröstet, gemahlen und daraus auf dem offenen Feuer Kaffee gekocht. Der Weg von der Bohne in die Tasse ist lang und arbeitsreich. 

Zuhause besuche ich Allan in Augsburg. Er lebt seit 2006 in Deutschland, hat hier Wirtschaft studiert und gemeinsam mit seiner deutschen Frau Katharina einen Kaffeehandel mit Tansania aufgebaut. Gemeinsam betreiben die beiden seit 2018 ihr Kaffee mit einer Rösterei in Augsburg. In ihrer Heimat sind es vor allem Kleinbauern, die den Kaffe in der hoch gelegenen Region anbauen. Allan versucht einen fairen Kaffeehandel aufzubauen. Mein Beitrag für die BR Abendschau: 

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Zeichen der Hoffnung

Zwei Wochen mit viel Hoffnung. Dank meiner europäischen und afrikanischen Begleiter*innen habe ich viele gute Beispiele für Menschlichkeit und Erfolge erlebt. 

Überschattet wird mein Besuch vom Amtsantritt von Donald Trump zu seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident. Und wie sich herausstellt, wird das auch für den afrikanischen Kontinent gravierende Folgen haben.

Es geht um Leben und Tod

Kurzfristig und spontan empfiehlt mir Claus Heim, Tansania-Referent von Mission EineWelt der Evangelischen Landeskirche in Bayern ein Gespräch mit Dr. Paul Mmbando, Direktor der Gesundheitsabteilung der Evangelisch-Lutherischen Kirche  (ELCT) von Tansania. Ein Gespräch das ich nicht vergessen werde. Der Arzt ist zuständig für die 24 Krankenhäuser und 148 Gesundheitszentren der ELCT im ganzen Land. Dazu muss man wissen, dass diese lutherischen Zentren und Hospitäler ein sehr wichtiger Teil der Gesundheitsversorgung im ländlichen Tansania sind. 


Was bedeutet das Ende der amerikanischen Gesundheitsprogramme von USAid für Tansania, will ich von dem Arzt wissen. Zur Erinnerung: Präsident Trump hat nach seinem Amtsantritt USAid für 90 Tage stillgelegt und nicht nur im eigenen Land tausende Mitarbeitende entlassen. Trump hat damit über Leben und vor allem Tod entschieden. Anders kann man es nicht sagen.

Dr. Mmbando erklärt, dass USAid in Tansania als wichtiges Programm vor allem die Behandlung gegen HIV/AIDS und Tuberkulose finanziert hat. Die Arbeit von mehr als 3000 Menschen und die Medikamente für 1,4 Millionen Menschen, dank derer sie mit dem HIV-Virus leben können, wurden von den USA bezahlt. Jetzt nicht mehr. Die Entscheidung sei ein Weckruf, verbunden mit der Frage: was für eine Welt wollen wir – mit Blick auf das Mitgefühl und die Humanität. 

Die Entscheidung der USA ist ein „Weckruf“ 

Eine unglaubliche Zahl: 165.000 Kinder vom Säugling bis 17 Jahre sind in Tansania HIV+. Unschuldig. Weil Ihre Eltern infiziert wurden, oft unwissentlich. Und diese Menschenleben hängen an den Medikamenten von USAid. Sie werden jetzt nicht mehr bezahlt. Es sind, so der Arzt, verletzliche, unschuldige Kinder, die oft durch AIDS ihre Eltern verloren haben, in anderen Familien, bei den Großmüttern leben. 

Für Dr. Paul Mmbando ist klar: Menschen werden jetzt sterben! Die Entscheidung von Trump heißt: „lasst die Menschen sterben“. Denn dem tansanischen Staat wird es kaum gelingen die Gelder für dieses große Programm anderswo aufzutreiben, ist zu befürchten.  Die Entscheidung der USA sei ein „Weckruf“. Freilich könne man nicht verlangen, dass die USA ewig diese Programme finanzieren, aber die plötzliche Entscheidung sei eine Katastrophe.

Finanziert wurden durch USAid auch Programme zur Familienplanung. Das Ende wird auch bedeuten, dass es zu ungewollten Schwangerschaften kommen wird, zu Abtreibungen und zu Kindestötungen, sagt der Arzt.

Dr. Mmbando appelliert an die Humanität der Menschen – über das Leben dürfe nicht entscheiden, auf welchem Kontinent man geboren wurde, welches Geschlecht oder welche Hautfarbe man habe, ob man reich oder arm geboren werde, ob man gebildet oder weniger gebildet sei. Als Christen sind für uns alle Menschen gleich.

Mein Beitrag zum Thema für BR24.

Die Brandmauer ist gefallen

Eine dunkle deutsche Woche und die Folgen

Diese Woche im Januar 2025 wird in die deutsche Geschichte eingehen. Als dunkle deutsche Woche. Und so wird sie auch Eingang finden in diesen Blog, der nicht parteipolitisch ist. Doch in dieser Woche zeigt sich, wie bedroht die deutsche Demokratie ist. Und im Sinne eines #niewieder #werember und #wehretdenanfängen ist es geboten, dass wir vor den großen Fehlern in der deutschen Geschichte warnen. 

Montag, 27. Januar 2025

Wie es der Zufall will, besuchen wir heute in Berlin das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. An einem besonderen Tag: Heute vor 80 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz durch die Rote Armee befreit. In dem Lager ermordeten Deutsche 1,1 Millionen Menschen. Insgesamt wurden beim nationalsozialistischen Völkermord sechs Millionen Menschen umgebracht, die meisten von ihnen Jüdinnen und Juden. Diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssen wir uns immer wieder vor Augen halten und darüber sprechen. 

Dafür wurde unter andere, das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin erbaut. Doch es bekommt Risse, genauso wie die Erinnerung an die Verbrechen. Doch ein Vergessen darf es nicht geben. Gerade auch vor dem Hintergrund der erschreckenden Ereignisse einer aktuellen Umfrage: 40 Prozent der Deutschen zwischen 18 und 29 Jahren gaben an, die Zahl von sechs Millionen Mordopfern nicht zu kennen. 

Zum Glück gibt es auch dank der Kirchen in Deutschland noch Aufklärung über die Greueltaten der Nazis, u.a. in Auschwitz. Ein gelungenes Beispiel zum 80. Jahrestag in einer ARD Dokumentation. 

Eine weitere wichtige Zahl: rund 500.000 Menschen flüchteten im Dritten Reich aus Deutschland ins Exil: Juden, politische Verfolgte, Schriftsteller, Wissenschaftler, Filmschaffende, u

#weremember

Dann kommen wir zum Reichstag. Das #weremember dort steht in großen Buchstaben inmitten einer Baustelle. Und schon sind wir im Deutschland 2025: hier haben Politiker aus dem rechten Lager eine Debatte angestoßen – nach den Morden von Magdeburg und Aschaffenburg. So postete Julia Klöckner aus dem inneren Kreis der CDU-Führung: „Es gibt Kulturen, die sind mit unserer Lebensweise nicht einverstanden, deshalb können wir mit ihnen nicht einverstanden sein!“ Menschen aus anderen Nationen werden pauschal für die Taten einzelner, in diesen Fällen psychisch kranker Menschen verantwortlich gemacht. Für mich als Demokrat ist dieses Denken unerträglich. Was wäre mit den 500.000 deutschen Flüchtlingen im sogenannten 3. Reich passiert, wenn andere Nationen alle Deutschen pauschal zu Straftätern erklärt hätten? Glücklicherweise hat uns die Weltgemeinschaft wieder aufgenommen nach den Gräueltaten der Nazis.

Mittlerweile ist der deutsche Wahlkampf – oft von Fakten befreit – dank der Union und der AfD völlig entglitten. Es geht ja nicht mehr um Tatsachen sondern nur noch um die Deutungshoheit. Wir erinnern uns: die Union lehnte das verschärfte Sicherheitspaket der Ampel ab. Oppositionsführer Friedrich Merz kündigte stattdessen an, „jeden Tag abzuschieben“. Merz will die Freizügigkeit und Schengen – eine der größten Errungenschaften in Europa – einschränken und dauerhaft die Grenzen kontrollieren. Abgewiesen werden soll an den Grenzen auch der, der in Deutschland Asyl beantragen will –  ein Grundrecht soll geopfert werden. Viele der Vorschläge von Merz wie dieser sind mit geltendem Recht nicht vereinbar. 

Zuvor hatte Friedrich Merz vorgeschlagen, neu eingebürgerten Menschen den deutschen Pass abzuerkennen, wenn sie straffällig werden. Ein solches Vorgehen widerspricht ebenfalls dem Grundgesetz.

Die CSU hat angekündigt, dass individuelle Asylrecht in Deutschland abschaffen zu wollen. Dafür bräuchte es im Bundestag eine Zwei-Drittel-Mehrheit und es wäre ein Bruch mit einer der großen Lehren aus dem sogenannten 3. Reich. 

Das ist das eine. Doch viel schwerer wiegt die Tatsache, dass Friedrich Merz bewußt auf eine in großen Teilen rechtsextreme Partei setzt. 80 Jahre nach Kriegsende nehmen mit Friedrich Merz, der CDU und CSU erstmals wieder demokratische deutsche Politiker eine in Teilen rechtsradikale Unterstützung in Kauf. Mir fehlen die Worte.

Die Brandmauer fällt
Mittwoch 29. Januar 2025

Die Brandmauer ist gefallen. Friedrich Merz hat sein Wort gebrochen. Und eine Mehrheit des Bundestages aus CDU, CSU, FDP und der in Teilen rechtsradikalen AfD hat gegen geltendes Recht gestimmt.

Da fällt mir nicht mehr viel ein. Außer Dankbarkeit für die klugen Worte der Beauftragten der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland. Sie haben vor dieser Entscheidung gewarnt, weil der Gesetzentwurf nicht geeignet sei, zur Lösung der anstehenden emigrationspolitischen Fragen beizutragen. „Die beiden großen Kirchen weisen hiermit darauf hin, dass die nun vorgeschlagenen Gesetzesänderungen nach aktuellem Wissensstand keinen der Anschläge verhindert hätten. Die Attentate von Magdeburg am 20. Dezember 2024 und Aschaffenburg am 22. Januar 2025 wurden von offensichtlich psychisch kranken Personen begangen. Die Taten zeigen aus Sicht der Kirchen daher ein Defizit hinsichtlich des Informationsaustausches unterschiedlicher Behörden und einen eklatanten Mangel an adäquater Versorgung psychisch Kranker auf.“

Nebelkerzen im Wahlkampf. Ein schwerer historischer Fehler der Union, der Deutschland schadet. Ein dunkler Tag in unserer Geschichte, 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz. 

Eine schwere Niederlage für Friedrich Merz
Freitag, 31. Januar 2025

Ein weiterer Tag an dem die deutsche Demokratie schwer beschädigt wird. Es ist der Tag, an dem die Union das „Zustrombegrenzungsgesetz“ in den Bundestag einbringt und damit scheitert. 338 Abgeordnete aus AfD, CDU/CSU, FDP und BSW stimmen für den Entwurf, 349 Abgeordnete stimmen dagegen. Das Parlament – darin sind sich alle einig – wurde schwer beschädigt. 

Stellvertretend für Viele die Einordnung durch den Präsidenten der Diakonie, Rüdiger Schuch: „Dies ist ein Sieg der Vernunft und ein klares Signal gegen einen Dammbruch. Es ist nicht akzeptabel, die Unterstützung von Partei einzukalkulieren, die unsere demokratische Grundordnung und eine rechtsstaatlich basierte Migrationspolitik ablehnen. (…) Wir müssen uns ernsthaft mit der Migrations- und Sicherheitspolitik auseinandersetzen und dabei auch die ganz unterschiedlichen Sorgen und Ängste in unserer Einwanderungsgesellschaft ernst nehmen. Dabei sind aber stets die unveräußerliche Menschenwürde, die Rechtsstaatlichkeit und die Vernunft als Leitprinzipien zu wahren.“ 

Legendenbildung

Es dauert nicht lang und das rechte Lager nutzt die Niederlage im Bundestag und die Entwicklung zur Legendenbildung. Im Netz und in der Presse ist zu lesen: die gescheiterte Ampelregierung sei Schuld am Rechtsruck. Zitat aus dem Netz: „Es wird Zeit, dass es eine politische Wende gibt und SPD und Grüne die Kurve hinbekommen. Die Verantwortung für die Brandmauer liegt jetzt bei den verbliebenen Regierungsparteien, auch wenn sie versuchen das Gegenteil zu behaupten.“ 

Im meiner Lokalzeitung kommentiert ein Redakteur: „Eine linke politische Minderheit hat es seit Jahren geschafft, die immer offensichtlicheren Probleme der Migration kleinzureden. (…) Nach Belieben bestimmt Rot-Grün seither den Diskurs.“ Das muss man sich einmal klar machen: eine demokratisch gewählte Bundesregierung bezeichnet ein Journalist als „linke politische Minderheit“. Und vom Sündenfall der CDU und CSU kein Wort. 

Auf die Idee, dass es in Deutschland auch noch Menschen gibt, die nicht rechts sondern in der Mitte der Gesellschaft stehen und andere Grundüberzeugungen haben als Wähler von CDU, CSU, AfD und FDP kommen diese Menschen gar nicht. Sie ebenen den Weg für die AfD. Vielleicht auch für eine gemeinsame Bundesregierung zwischen CDU, CSU und AfD.

Fazit

Etwas erscheint mir wichtig in der Diskussion: die Anträge von Mittwoch und Freitag inhaltlich zu unterscheiden. Beim 5-Punkte-Plan vom Mittwoch, 29. Januar 2025 geht es in vier von fünf Punkten um Rechtsbruch. Dafür brauchte Merz die AfD. Die fünf Punkte:

1. Dauerhafte Grenzkontrollen: verstoßen gegen EU-Recht. Der Schengener Grenzkodex erlaubt Kontrollen nur befristet für maximal zwei Jahre.

2. Zurückweisung von Personen ohne gültige Einreisedokumente gleich direkt an der Grenze: verstößt gegen das im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl und gegen EU-Recht.

3. Abschiebehaft: Eine pauschale Inhaftierung ohne Einzelfallprüfung wäre rechtswidrig laut der Europ. Menschenrechtskonvention.

4. Unterstützung der Länder bei Abschiebungen: Scheint rechtlich umsetzbar zu sein.

5. Verschärfung des Aufenthaltrechts: Einige der Vorschläge, wie der Entzug der Staatsangehörigkeit bei Doppelstaatlern, sind verfassungsrechtlich problematisch.

Quelle: Publizist Christian Nürnberger bei Facebook

Beim Antrag am Freitag ging es um eine Gesetzesänderung, bei der Merz mit mehr Zeit, Kompromissbereitschaft und Verhandlungsgeschick eine demokratische Mehrheit hätte finden können. Doch das war ihm offensichtlich nicht wichtig. 

Was wir uns immer wieder vor Augen führen müssen: Das gescheiterte Gesetz der CDU hätte weder den Attentäter von Magdeburg noch den von Aschaffenburg getroffen. Die Taten wären damit nicht verhindert worden.

Vergessen wir auch vor dem Hintergrund der grausamen Taten nicht die Grundpfeiler unserer Demokratie und unsere eigene deutsche Geschichte – nicht nur am Holocaust-Gedenktag.

Die nächsten Wochen

Mittlerweile sind einige Wochen ins Land gegangen. Die Union bleibt dabei sich für ihre – nach meinem Empfinden – Fehlentscheidungen nicht zu entschuldigen. Das hat Folgen. Indem die Narrative der AfD bedient werden – Ausländer sind kriminell und Deutschland ist unsicher – verfängt dass bei vielen Bürger*innen. Doch das ist schlicht falsch. Sehr lesenswert der Spiegelartikel „Friedrich Merz fällt auf den Psychotrick der AfD herein“.

Auch Maurice Höfgen zerlegt bei YouTube sehr ausführlich die Argumentation durch Friedrich Merz. 

Und dann ist da noch Markus Söder. Er droht den Kirchen die rechtlich klar geregelte finanzielle Unterstützung zu entziehen, wenn sie die Union kritisieren. Da fehlen einem dann endgültig die Worte. 

Beeindruckend in diesen Wochen die Demonstrationen gegen den Rechtsruck. 

Quellen und Tipps zum Nachlesen

Begeisterung fürs Baltikum

Wir kennen den Norden gut. Und wir haben unsere Lieblingsplätze. Doch das Baltikum hat das Zeug dazu, unser neuer Favorit im Norden zu werden. Es hat viel von unserem geliebten Skandinavien – und dazu noch einige Vorteile: es ist deutlich näher, einsam, hat geniale Plätze zum genießen und übernachten, die Menschen sind kontaktfreudig und gesprächig und es ist deutlich günstiger als viele Länder Skandinaviens. Wir nehmen Euch mit auf unsere Reise im August 2024 durch Litauen, Lettland und Estland.

Die Kurische Nehrung

Wir beginnen gleich mit einem Highlight: die Kurische Nehrung. Eine geniale Fährverbindung von Kiel ins litauische Klaipeda – das frühere Memel – bringt uns bequem an den Ausgangspunkt. Wir entscheiden uns, die Kurische Nehrung, eine ausgedehnte Dünenlandschaft zunächst vom litauischen Festland aus anzusehen, vom Kurischen Haff. Zwischen uns und der Dünenlandschaft liegt Süßwasser, hinter der Nehrung die Ostsee. 

Und dann geht es mit einer kurzen Fähre von Klaipeda auf die Kurische Nehrung. Dünen soweit das Auge reicht. Bis Nida kann man reisen, dahinter liegt die Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad. Beim wandern durch die Dünen südlich von Nida ist die Grenze in sicherer Entfernung. 

Die Dünen sind gefährdet und streng geschützt. Deswegen kann man sie nur an wenigen Stellen besuchen. Spannend der Dünenweg bei Prevalka. Kreuze im Sand erinnern an Dörfer, die der Sand der Nehrung im Laufe der Zeit unter sich begraben hat. 

Die Fischerhäuser von Nida

Nida ist der bekannteste und größte Ort auf dem litauischen Teil der Kurischen Nehrung. Bekannt ist er vor allem für seine hölzernen Fischerhäuser. Und für das Ferienhaus von Thomas Mann. Er ließ es nach seinem ersten Besuch 1930 erbauen und konnte es wegen des Nationalsozialismus nur zwei Sommer lang bewohnen. Heute ist dort ein Museum untergebracht und erinnert an ihn. 

Die Ostseeküste von Lettland

Nördlich von Klaipeda beginnt bald Lettland. Bald erreichen wir Liepaja. Die prächtige russisch-orthodoxe Kathedrale erinnert daran, dass in den Ländern des Baltikum noch viele Russen leben. Die Kathedrale steht inmitten von Plattenbäuden und alten Militärgebäuden im ehemaligen Sperrgebiet der Roten Armee zu Zeiten der Sowjetunion. Wir finden hier immer wieder Relikte und Spuren der Sowjets. Das Zusammenleben in den baltischen Staaten ist nicht immer einfach, denn viele der russischstämmigen Bürger haben zwar die jeweilige Nationalität von Litauen, Lettland oder Estland angenommen, sprechen aber kaum die jeweilige Landessprache. Russische Enklaven, die in Zeiten des Krieges von Russland gegen die Ukraine für Spannungen im Baltikum sorgen. 

Absolut friedlich und in weiten Teilen traumhaft einsam die Ostseeküste in Lettland. Hier trifft man an sauberen schönen Stränden nur wenige Menschen und hat viel Natur für sich. Die Steilküste bei Jurkaine hat es uns besonders angetan. 

Bald geht die Reise hier weiter …